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der Menschen. Aber auch dieser kann der Moral gute Dienste leisten, wenn der Mensch die ihm angeborene Neigung zum Neide nicht dazu benutzt, seinen Nebenmenschen ihren Reichthum und Wohlstand zu mißgönnen, sondern, wenn er diese zum Stache! der Nacheiferung auf dem Gebiete des Guten und Moralischen gebraucht, indem er die Gelehrsamkeit und Tugend, die andere in höherem Grade besigen, sich als Vorbild nimmt und dadurch sich zum Streben angeregt fühlt, seinem Nächsten darin gleich zukommen. Dieser Gedanke mag vielleicht auch der Sinn der Worte
ואהבת את ד' בכל unferer Weifen fein, welche zu beit Verfe .hinzufiigent לבבך בשני יצרך ביצר הטוב וביצר הרע
Unsere Weisen wollen nämlich hiermit sagen, daß des Mensch bestrebt sein soll, auch seine ihm angebornen schlechten Eigenschaften zur Förderung der Tugend und Moral anzuwenden.
Dieser Gedanke kann auch zur Erklärung einer anderen schwierigen Stelle im Talmud angewendet werden, deren Wortlaut folgender ist:
מי זה אמר ותהי ד' לא צוה אמר ר' ירמיה מעולם לא ירדה רע מן השמים ולא טוב מן השמים וכו'
Diese Worte der Weisen haben nach unserem Dafür halten nur Bezug auf die moralisch schlechten und guten Handlungen des Menschen und wollen folgenden Gedanken zum Ausdruck bringen.
Man könnte geneigt sein, anzunehmen, daß der Schöpfer Antheil habe, an dem moralischen oder unmoralischen Lebenswandel des Menschen, da er doch die verschiedenen Triebe, welche jene schlechte Handlungen verursachen dem Menschen eingepflanzt hat, und er daher als wirkende Ur: sache derselben betrachtet werden könne.
Man würde wohl dagegen einwenden wollen, daß der Mensch Willensfreiheit besige und demnach ihm allein die Verantwortung für seinen Wandel zufällt. Aber diese