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welchen er jenen unterlegen wäre. Denn es ist bekannt, daß die Leidenschaften an jedem Tage mächtiger werden, und wenn Gott ihm nicht helfen würde, könnte er dieselben nicht bezwingen. Deshalb heißt es von Noah: mit Gott wandelte Noah, das heißt: durch die Hilfe Gottes.
2. Kapitel.
Es giebt moralische Eigenschaften beim Menschen, die nur dann als solche bezeichnet werden können, wenn der Mensch dieselben nur gegen seine eigne Person anwendet; beobachtet er aber dieselben auch seinen Nebenmenschen gegenüber, das heißt handelt er ebenso gegen diese, so sind seine Handlungen unmoralisch und verwerflich. Ebenso ist es aber auch im umgekehrten Falle, wenn der Mensch die moralische Handlung, die er seinen Nebenmenschen gegenüber auszuüben verpflichtet ist, auch gegen sich selbst zur Anwendung bringt. Wir wollen diesen Gedanken durch ein Beispiel verständlicher zu machen suchen. Jemand besitze die Eigenschaft der Sparsamkeit. Mit peinlicher Sorgfalt sei er bemüht, die Ausgaben für seinen Lebensbedarf einzuschränken und einfacher zu leben. Wenn auch die Genügsamkeit zu den moralischen und nachahmenswerten Eigenschaften ge= hört, so würden sie doch sehr tadelnswert sein, wenn dieselbe auch gegen die Nebenmenschen angewendet werden und der Mensch infolge seiner Sparsamkeit weniger Wohlthätigfeit ausübt, als er seinem Vermögen entsprechend ausüben müßte.
In diesem Sinne sprechen auch unsere Weisen, indem sie sagten: Neid, Gelüste und Ehrsucht bringen den Menschen aus der Welt. Dagegen heißt es in betreff der Ehre und Achtung die wir unseren Nebenmenschen zu er= weisen verpflichtet sind: Wer ist geehrt, der seinen Nächsten ehrt.
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