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Durch diesen Gedanken läßt sich eine dunkle Stelle
im Midrasch erklären. Dieselbe lautet:
משה איש האלהים אמר ר' אכין מחציו ולמעלה האלה' מחציו ולמטה איש
Rabbi Obin sagte:
Unser Lehrer Moses war zur Hälfte menschlich nnd zur Häfte göttlich.
Der Sinn dieser Stelle mag folgender sein:
Unser Lehrer Moses lebte, wie bekannt, in der Zurückgezogenheit, das heißt, er beschäftigte sich ausschließlich mit dem Studium der göttlichen Lehre; dem weltlichen Verkehr, sowie dem Streben nach der Erlangung irdischer Güter stand er ganz fern, auch die Vergnügungen der Welt kannte er nicht und hatte für diese keinen Sinn. Nur in der Erfassung der göttlichen Lehre und in der Erfüllung ihrer Gebote erblickte er seine Lebensaufgabe, dagegen, wenn es sich um das Wohl des Volkes handelte, trat Moses heraus aus dieser seiner Zurückgezogenheit, befaßte sich mit weltlichen Dingen und suchte diese kennen zu lernen. Ja sein Wesen nahm einen weltlichen Charakter an, so bald es galt für das geistige und leibliche Wohl des Volkes zu wirken.
Wenn wir auch oben erklärt haben, daß der Mensch nach zwei entgegengesezten Richtungen handeln muß, so würden wir uns doch sehr irren, wenn wir die Ausführung dieser Aufgabe als ein Leichtes bezeichnen wollten, vielmehr gehört dieselbe zu den schwierigsten moralischen Verpflichtungen. Denn, wenn er eine moralische Handlung ausgeübt und sich an diese gewöhnt hat, so wird es ihm doch unendlich schwer fallen, auch das Entgegengesetzte zu thun; ganz besonders ist dies bei Bescheidenheit der Fall, wo der Gegensaß ein noch größerer ist als bei den andern Forder= ungen der Moral. Während er jede Ehre und Achtung,