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Das Fontane-Buch : Beiträge zu seiner Charakteristik ; Unveröffentlichtes aus seinem Nachlaß ; das Tagebuch aus seinen letzten Lebensjahren / hrsg. von Ernst Heilborn
Entstehung
Seite
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art des Mannes zu überfliegen; gerade seine spätere Schöp­fung löst sich von dem, der sie schuf. Und man vergegen­wärtige sich Hebbel in den Straßen der Großstadt von heute; man besuche mit ihm eine Volksversammlung und wähle ihn zum Gefährten bei Erörterung der Streitfragen, die uns der Tag aufdrängt: er wird zum Schatten, er schweigt. Gerade derart beschworen aber beginnt Fontane zu plau­dern, zu reden. Er winkt, und was noch eben die Straße lärmend und schreckend erfüllte, ist belanglos geworden. Man steht neben ihm und blickt in ein Blumengeschäft oder ein Sargmagazin. In dem überfüllten Saal, den man mit ihm betritt, wird ohne weiteres Platz. Der Redner auf der Tribüne spricht weiter, aber man hört ihm nur noch mit ge­teilter Aufmerksamkeit zu. Und sowenig Fontane selbst die Rednerbühne besteigt, sosehr wird sein Wort vernehmbar.

Es sind etwa fünfundzwanzig Jahre darüber verstrichen, seit es uns vergönnt war, ihm selbst zu begegnen; das war nur zu einmaliger längerer Unterredung in seiner Wohnung; aber die Zahl derer, die ihn kannten, beginnt sich nun schon zu lichten, und so verlohnt es vielleicht, den Persönlichkeits­eindruck auch persönlich festzuhalten.

Das Gespräch war auf England gekommen, und er schil­derte, wie er's zu tun liebte, englische Eigenart in einem kleinen, scheinbar ganz nebensächlichen Auge. Erzählte, daß er eines Abends in London, auf irgend jemand wartend, in einer dürftigen, abgelegenen Schenke verweilt habe, und daß da ein sauber gedeckter Tisch gestanden habe, mit einem Kuvert belegt und mit Blumen bestellt. Die Wirtin der Schenke, gewöhnliches Weib aus den unteren Volksschichten, sei heimgekehrt, habe an dem gedeckten Tisch Platz genom­men, sei mit aller Aufmerksamkeit bedient worden und habe mit bestem Anstand Gabel und Messer geführt: von all dem nun sei man in solchen Volksschichten bei uns noch sehr weit entfernt. Er sprach weiter von der Lage des deutschen Schriftstellers, geriet in Unmut, betonte, keinerlei Scho-