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Das Fontane-Buch : Beiträge zu seiner Charakteristik ; Unveröffentlichtes aus seinem Nachlaß ; das Tagebuch aus seinen letzten Lebensjahren / hrsg. von Ernst Heilborn
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Onkel Ehm

Entwurf zu einer Charakterskizze

Ankel Ehm wurde heut' begraben. Man soll daö Eisen schmieden, so lang' es warm ist. Und so schreib' ich denn ein Wort von Onkel Ehm.

Ein kleines Leben, ein enger Kreis, den mein eigen Leben nur ein paarmal berührt, aber doch oft genug, um ein Bild von ihm zu zeichnen. Es ist nicht viel, was ich von ihm weiß, denn mein eigener Lebenskreis und der seine berührten sich nur wenige Male, aber diese wenigen Male reichen aus, ein Bild von ihm zu geben. Vielleicht auch ein Bild, auf dem der Blick des Lesers freundlich ruht. Und das gönnt' ich dem alten Onkel. Denn er war ein guter Mann. Das Geringste, was man sein kann und doch das Beste. Eigent­lich alles.

Ich war zehn Jahr' alt, als ich zuerst von Onkel Ehm hörte. Er war meiner Mutter liebreicher Bruder, und ich entsinne mich noch des Tages in unserm hochgiebligen alten Ostseehause, als es eines Tages hieß:Morgen kommt Onkel Ehm." Ich wußte nicht, was der Name bedeutete, bis ich erfuhr, daß es eine niedersächsische oder pommersche Ab­kürzung von Emil sei. Ein Name, an dem nicht viel zu ver­ändern ist, namentlich wenn man ihm, wie hierzulande, den Ton auf die erste Silbe legt.

Und nun kam Onkel Ehm wirklich, ein Mann von dreißig damals, kleine schwarze Augen, von gütigem und zugleich etwas rabiatem Ausdruck, Nase gebogen und Zähne, ja, wie sag' ich, wie alte Pfeifenspitzen. Denn die glatten Plomben waren damals noch nicht Mode. Alles war noch au naturel- Und nun gar Onkel Ehm! Sein auffallendstes aber war sein Teint. Er war Landwirt, hatte den Monat Juli eben hinter sich und die Haut schubberte sich.

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