Der Karrenschieber
(Entwurf)
Ich ließ (so erzählte mir ein Freund) im Jahre 72 auf der Leipziger Promenade ein neues Haus aufführen, und da der Untergrund sumpfig war, so war eine Betonschüttung nötig. Diese Betonschüttung interessierte mich und wurde Veranlassung, daß ich auf kurze Zeit nach Leipzig hin über- siedelte, um dem Verlauf der Arbeit folgen zu können. Eine große Zahl von Arbeitern war beschäftigt, unter diesen viele Karrenschieber, die über eine Leisten- und Brettcrlage hin die zur Betonmasse nötigen Steinchen und den Jement heranzukarren hatten. In den ersten Tagen erschien mir alles wie ein Ameisenhaufen, in dem einer dem andern ähnlich sah; als ich mich aber öfter einstellte, fand ich mich auch in den einzelnen leicht zurecht und beobachtete namentlich einen, der sich durch Kraft und Eleganz vor den andern auszeichnete. Er war ein Mann von 38, pockennarbig und überhaupt von unschönen Zügen, aber Haltung und Augenausdruck und besonders auch die besondere Art, wie er seine Arbeit verrichtete, zeigten, daß er in zurückliegender Zeit einer anderen Gesellschaftsklasse angehört haben müsse. Mit einer gewissen Eleganz, darin sich ebensoviel Kraft wie Geschicklichkeit aussprach, ließ er das Rad seiner Karre über die sich biegenden Bretter Hinrollen und wenn der Umstülpungsmoment kam, wo der Inhalt der Karre mit einem Ruck nach rechts in die Baugrube hinuntergeschüttet werden mußte, so geschah dies, wie wenn jemand ein Glas einschenkt, kein Tropfen vorbei, während die anderen es so ungeschickt machten, daß ein Teil der Ladung auf dem Brett liegen blieb und erst nachträglich hinuntergeschippt werden mußte. Sein Aufzug war schlechter als der der andern, aber die Art, wie er ihn trug, ließ darüber hinsehn, oder ließ erkennen, daß er den andern nicht zugehörte.