Emilie Fontane
Die Frage, wie,die Gattin eines Dichters beschaffen sein muß, um seinem Genius nicht im Wege zu sein, sondern ihn wenn möglich zu fördern, wird immer individuell beantwortet werden müssen. Theodor Fontane, dem ein dornenvoller, von mancherlei Enttäuschungen und Demütigungen getrübter Lebenslauf beschicken war und dem erst im hohen Alter das langersehnte Glück des Erfolges lächelte, er bedurfte einer besonders gearteten Gefährtin. Und sie war ihm zuteil geworden. Zunächst war sie, was für ihn besonders wichtig war, kein Dutzendmensch, sondern von besonderem Schlag. In ihren Adern rollte südfranzösisches Blut. Ihr Großvater, ein gescheiterter französischer Theologe, war nach dem Siebenjährigen Kriege nach Potsdam verschlagen und unter die Gardisten Friedrichs des Großen eingcreiht worden. Er endete als Kämmerer der Stadt Beeskow. So war eS wohl ein Erbteil der Rasse, wenn Emilie Fontane eine Beweglichkeit des Geistes eigen war, die gegen die Reize der Welt ebenso rasch wie kräftig reagierte, und wenn sie an allen Vorgängen des Lebens den regsten Anteil nahm. Ihr Hauptinteresse galt der Literatur, insbesondere dem Theater, das sie bis in ihr hohes Alter leidenschaftlich gern besuchte. Da nun, was sie erfuhr und erlebte, auf einen individuellen Grund fiel, so erhielt es, wenn es widerklang, persönliche Färbung. Nach dem Zeugnis dessen, der sie am besten kannte, ihres Mannes, war sie witzig und geistvoll, hatte brillante Einfälle und war scharfsinnig im Erkennen der Menschen, besonders im Erkennen ihrer Schwächen, ihrer Eitelkeiten und Lächerlichkeiten. Mit ihrem lebhaften Temperament verband sich eine durch keine ängstlichen Bedenken gehemmte Schlagfertigkeit. Sie hatte den Mut ihrer
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