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Das Fontane-Buch : Beiträge zu seiner Charakteristik ; Unveröffentlichtes aus seinem Nachlaß ; das Tagebuch aus seinen letzten Lebensjahren / hrsg. von Ernst Heilborn
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Meinung. Und endlich war ihr auch jene Eigenschaft zuteil geworden, die Theodor Fontane nach einer gelegentlichen Äußerung an der Frau am höchsten schätzte: Kaprize. Kurz, es waren in ihr alle Momente vorhanden zu dem, wofür der Deutsche keinen eigenen Namen hat, weil es bei ihm nicht heimisch und nur gelegentlich zu Gaste.ist: zum Esprit. Wie aber erst die Mischung heterogener Eigenschaften einen Cha­rakter interessant macht, so kam in Frau Emiliens Wesen zu den vielen sie über die Alltäglichkeit erhebenden Zügen noch ein Schuß Philisterhaftigkeit hinzu.Du hast," schrieb ihr einmal ihr Gatte in einem jener an drastischen Beob­achtungen und entzückenden Wendungen so reichen Briefe an die Fämilie,Du hast en ckörail einen sehr feinen künstleri­schen Sinn, aber Du bist allerdings eine konventionelle Natur." Köstlich drückt er diesen Gegensatz in der Natur seiner Frau ein andermal aus. Eine Französin, namens Desteuque, hatte sie msckame Is plus gracieuse pb/sique- menr et inoralement genannt. Mit dieser Anrede beginnt Fontane einen Brief an sie und fährt dann fort:Ich will mit der Liebeserklärung beginnen, daß die Desteuque beinah recht hat. Du bist nicht nur Deiner tatsächlichen Abstammung, sondern auch Deinem ganzen Menschen nach halb aus Beeskow und halb aus Toulouse. Hast Du Deinen Toulouser Tag, so hat die Desteuque vollkommen recht. Hast Du Deinen Beeskower, so hapert es. Ich bin Dir aber das Zeugnis schuldig, daß, wenn nicht kleine Verhältnisse Dich Nieder­drücken, der Toulouser Tag vorherrscht. Am toulousesten bist Du, wenn gut Wetter in: Kalender steht, in Deinem eige­nen Hause. Unter Fremden, wenn sie fein, klug und vor­nehm sind, bist Du mehr oder weniger befangen. Und wenn sie trivial sind, gehst Du sofort auf ihre Trivialitäten ein und wirst kleinstädtisch und spießbürgerlich."

Man kann sich denken, daß eine so geartete Persönlichkeit für Fontane, der als Menschenbeobachter unablässig auf der Suche war, eine fortdauernde Quelle des Studiums war

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