Druckschrift 
Das Fontane-Buch : Beiträge zu seiner Charakteristik ; Unveröffentlichtes aus seinem Nachlaß ; das Tagebuch aus seinen letzten Lebensjahren / hrsg. von Ernst Heilborn
Entstehung
Seite
94
Einzelbild herunterladen

ihrem guten Willen einstimmig, und es wurde nahezu fest­gestellt, welche Wege man einschlagen, welche Versuche man machen wolle.

Nicht ohne herzliche Freude verließ ich die Gesellschaft und hatte das Bild des Unglücklichen vor mir, als ich mich in mein Hotel und am selben Abend noch nach Berlin zurückbegab, wohin mich Geschäfte auf eine Woche abriefen.

Als ich die Woche danach wieder in Leipzig eintraf und am andern Morgen den Bau besuchte, nahm ich bald wahr, daß mein Schützling unter den Arbeitern fehlte. Ich rief den Polier und fragte nach ihm, indem ich hinzusetzte, daß ich ihn letzten Sonntag gesprochen hätte.

Und seit Montag fehlt er auf dem Bau.

Das erschütterte mich und veranlaßte mich, mich mit der Polizeibehörde in Verbindung zu setzen und auch sonst nach ihm forschen zu lassen. Aber alle Nachforschungen waren vergebens. Es blieb vergebens, und in den zehn Jahren, die darüber vergangen sind, habe ich ihn weder wieder­gesehen noch von ihm gehört.

Ich wollte ihn retten und habe ihn vielleicht in die Ver­bannung getrieben, in die Verbannung oder in den Tod.

Ich wollte ihn retten aus seinem Elend und habe ihm sein Elend, das er bis dahin männlich trug, vielleicht erst recht fühlbar gemacht. Er empfand vielleicht mit einem Male den tiefen Fall. Und so Hab' ich den, den ich retten wollte, viel­leicht in die Verbannung getrieben, vielleicht in den Tod.

94

/