Ostpreußen, was wohl damit zusammenhing, daß Auerswald die Hauptrolle im Ministerium spielte. Nur die beiden „Dichter" des literarischen Kabinetts waren nicht Ostpreußen: der eine war ... Hersch (Dichter der Anne-Lise, ein sehr guter Kerl), der andere war ich. Gleich als ich eintrat, sah ich, daß eine Gärung da war, die damit zusammenhing, daß Auerswald-Radowitz gestürzt und Manteuffel Ministerpräsident werden sollte. Das „literarische Kabinett" hielt es für seine Pflicht, dagegen Front zu machen, zu streiken und ein Schriftstück aufzusetzen, in dem unserm obersten Vorgesetzten, an dessen Statt damals Ministerialdirektor v. Puttkamer, Vater des späteren Ministers, fungierte — mitgeteilt wurde, „daß das alles nicht ginge, daß wir Auerswaldisch gesinnt wären und nicht Lust hätten, unter Manteuffel zu dienen". Ich wurde gefragt, ob ich Lust hätte, das Schriftstück mit zu unterzeichnen, worauf ich antwortete: Gewiß; aber bloß aus Korpsgeist; denn man möge mir die Bemerkung verzeihen, aber ich finde diese Opposition Untergebener ganz ungehörig; Manteuffel sei jetzt Minister und wenn wir ihm nicht dienen wollten, so könnten wir ja gehen. Aber wir hätten kein Recht, mit einem Mißtrauensvotum zu debütieren. — In die Lage, so etwas sagen zu müssen, bin ich verschiedene Male in meinem Leben gekommen und habe überhaupt die Erfahrung gemacht, daß gerade bei Vorgängen, wie der hier geschilderte, nichts seltener ist als gesunder Menschenverstand. Alle die Herren waren mir unendlich überlegen an Jahren, Wissen, Erfahrung, aber sie hatten keinen bon sei». Die Geschichte von dem Kinde, das ausruft: aber der Kaiser ist ja nackt, wiederholt sich beständig. Als ich meine Bemerkung gemacht, lachten die Herren, aber nicht spöttisch, sondern beifällig und sichtlich amüsiert. Sie waren klug genug, um sich zu sagen: „Das Kind hat recht." Aber der Stein war nun mal im Rollen, von Aufhalten keine Rede mehr, und so schloß die Szene damit ab, daß ich, der ich meine Zustimmung mit
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