einem großen Fragezeichen begleitet hatte, ausersehen wurde, das Schriftstück dem Ministerialdirektor v. Puttkamer zu überreichen. Der mochte schon wissen, was drin stand, nahm datz Schriftstück mit einem greulich barschen Anschnauzer entgegen und warf es auf den Tisch. Eh' eine Woche um war, war das ganze „literarische Kabinett" aufgelöst und seine Insassen entlassen. Ich Unglückseliger nahm diese Entlassung für ernsthaft und begann meine junge Ehe mit einem Hungerjahr; die Kollegen aber, die so gesinnungstüchtig gewesen waren, waren klüger, sie paktierten sehr schnell, gingen mit fliegenden Fahnen ins andre Lager über, in dem ich sie ein Jahr später, als auch ich paktiert hatte, sämtlich wieder antraf. Das war im Herbst 51. Ich konnte mich aber schlecht zurechtfinden und war froh, als mir im Frühjahr 52 ein halbjähriger Urlaub nach England hin bewilligt wurde. Was ich da sah und erlebte, habe ich in meinem kleinen Buche „Ein Sommer in London" beschrieben. Ich hatte meinen Zweck, die Sprache beherrschen zu lernen, nur sehr unvollkommen erreicht und war froh, bei meiner Rückkehr in die mir offengelassene Stelle wieder eintreten zu können. Freilich schweren Herzens. Aber mein Elend dauerte nicht lange, es änderte sich, ein Vorschlag wurde mir eines Tages gemacht, und von dem Tage an änderte sich mein ganzes Leben und ich habe seitdem keine Tage mehr voll Not, Entbehrung und Niedergedrücktwerden (?) zu verzeichnen gehabt.
Dieser in meiner ganzen Lebenslage wandelschaffende Vorschlag ging von Geheimrat Dr. Metzel, damaligem Chef des literarischen Kabinetts, aus und bestand in der Anfrage, ob ich mich wohl entschließen könnte, vier jungen Damen einmal wöchentlich Privatunterricht zu geben, und zwar in sämtlichen Disziplinen — Schulmeister für alles. Mit einem beneidenswerten Mute erklärte ich: ja. Der Gewinn, den ich davon hatte, war ein doppelter und bestand nicht bloß darin, daß sich meine Einnahmen nahezu verdoppelten, sondern vor allem auch darin, daß ich die schönen Vormittags-
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