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Judenproblem / von I. Breuer
Seite
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wo eintretenden Dissonanz mit kränkendem Schimpfwort be- legt zu werden. Diesen Männern, denen ihr eigenes Juden­tum, seines überlieferten Inhalts völlig beraubt, bis zur Sinnlosigkeit gediehen war, ob es ihnen gleich von allen Seiten stets entgegengehalten wurde und sie es jederzeit rechtfertigen mußten, brachte der Zionismus buchstäblich die

Rettung ihrer selbst vor ihrem Gewissen.-

Aber der Zionismus hat auch in ganz ungewöhnlichem Maße die Aufmerksamkeit der nichtjüdischen Öffent­lichkeit auf sich gelenkt. Während die Kenntnis der jüdischen Religion bis zum heutigen Tage in nichtjüdischen Kreisen außerordentlich gering ist, und die religiösen Wirrnisse inner­halb des Judentums, auch soweit sie zu literarischem oder organisatorischem Ausdruck gelangt sind, nennenswerte Be­achtung oder gar tiefer dringendes Verständnis nirgends ge­funden haben, hat sich, fast vom ersten Tage an, dem Zionis­mus das allgemeine Interesse zugewandt, haben politische Zeitungen von seinen Kongressen regelmäßig Notiz ge­nommen und Gelehrte wie Schriftsteller sich mit ihm, bei­nahme von Amts wegen, eingehend befaßt. Das ist leicht erklärlich. Nicht nur standen Männer von europäischem Ruf an der Spitze des Zionismus und bekannten sich laut und freudig zu ihm, sondern es hatte ja auch der Zionismus das Judenproblem, das bis jetzt mit der dem Außenstehenden so überaus schwer zugänglichen Wischen Religion verquickt war, ins Fahrwasser der Politik geleitet und dadurch dem Verständnis auch solcher Schichten zugänglich gemacht, die

vom Judentum als solchem kaum etwas wußten.-

Sehr bald begann auch der Antisemitismus mit dem Zionismus zu liebäugeln. Hier und da nahm er ihn förmlich als Eideshelfer in Anspruch. Ob Rasse oder Nation: damit nahm es der Antisemitismus schließlich nicht zu genau. Ihm kam es nur darauf an, die Fremdheit der Juden zu er­weisen. Gerne willigte er ein, sie als Nation anzuerkennen, und er beeilte sich sogar, hervorzuheben, daß ihm ein über­zeugter Zionist durchaus nicht unsympathisch sei, und er für die Leiden der jüdischen Nation in ihrer Zerstreuung, die ein Analogon für die durch die jüdische Nation den fremden Nationen zugefügten Leiden darstellten, des Mitgefühls nicht völlig entbehre.-