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Judenproblem / von I. Breuer
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egoistische Treiben der gottentfremdeten Staaten als Turm­bauwahnsinn erscheint, dem sie den auf Recht und Liebe ge­gründeten nationalen Gottesstaat der Zukunft mit der ganzen Kraft ihrer sehnenden Seele entgegenhält: der Zionismus weiß nichts von ihr, verfälscht ihre Ideale und mißbraucht den teuren Namen Zion, indem er ihn auf die Fahne seiner von der Geschichte nicht gestützten politischen Aspirationen setzt, die nur ein dem westeuropäischen politischen Empfinden völlig assimiliertes, aber niemals ein nationaljüdisches Herz höher schlagen lassen können. Die nationale Kultur des Judentums, die an der Hand des alles Menschliche umfassen­den Nationalgesetzes die Einzelnen zum Gotte Israels hin­führt und zu Persönlichkeiten erzieht, wie sie in solcher Eigen­art auf dem Boden keiner anderen nationalen Kultur ent­stehen: der Zionismus kennt sie nicht, ruft seine Talente auf, eine funkelnagelneue Kultur allererst zu erzeugen, und steht im Begriff, ein Destillat der Kultur der Westnationen der jüdischen Nation als Kultursurrogat zu empfehlen. In Zions Namen, im Namen der Nation führt der Zionismus in Wahrheit, ihm selber nicht bewußt, einen Kampf gegen die Nation. Siegt der Zionismus auf der ganzen Linie und gelangt er zur Verwirklichung seiner politischen Aspirationen, so hat die Welt eine neue Nation, einen neuen Nationalstaat. Aber die jüdische Nation der Geschichte ist tot.-

XIII.

Schluß.

Wieder wetterleuchtet es, wie einst zur Zeit der großen Revolution, am Nachthimmel der Nationen. Das revolutio­näre Ideal der Völkerverbrüderung war in Vergessenheit geraten, und unter der Wirkung idealfremder Kräfte hatten die Nationen sich gegen einandergestellt, bis eine Katastrophe ohnegleichen über sie alle hereinbrach. Aber aus den Trüm­mern des alten Europa steigt, heute schon erkennbar, als einzige Siegerin das alte Ideal empor, geläutert und ver­klärt durch das furchtbarste aller Menschheitserlebnisse. Nicht mehr, wie ehedem, gilt es die Grenzen der Nationen zu ver­wischen, sondern im Gegenteil die geschichtlichen Synthesen

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