Agrarverhaͤltniſſe. 17
Große hatte dem Adel die Befugniß zur Einziehung bäuer— licher Höfe genommen; mancherlei Geſetze waren ergangen, um die Exiſtenz der bäuerlichen Einſaſſen freier, ſicherer und ſelbſtſtändiger zu geſtalten. Endlich aber ſprachen die vorentwickelten Intereſſen aller Stände der Nation ſo laut für gänzliche Beſeitigung der innerlich längſt abgeſtorbenen Feudalverfaſſung; es traten zugleich äußere politiſche Ver: hältniſſe fo mächtig anregend hinzu, daß der große Schritt ganz unvermeidlich gethan werden mußte. Mit dem Edikte vom 9. October 1807, wodurch die Erbunterthänigkeit im ganzen Lande aufgehoben wurde, beginnt eine Reihe von Geſetzen, die allmählig zur vollſtändigen Auflöſung der alt— hergebrachten, im Laufe der Zeit gänzlich degenerirten Agrarverfaſſung führten, indem ſie den ehemaligen Unterthanen zum freien Eigenthümer ſeiner Scholle erhoben.
Aber es darf nicht in Abrede geſtellt werden— der Uebergang zu wahrhaft gedeihlichen und fruchtbringenden Wirthſchafts- und Lebensverhältniſſen iſt damit noch nicht erzielt worden. Bisher hat die neuere preußiſche Agrar— geſetzgebung mehr einen auflöſenden Charakter bethätigt, fie hat die alten abgeſtorbenen Formen und Bande ver: nichtet, die Neugeſtaltung der freieren wirthſchaftlichen Familien- und Verwaltungsverhältniſſe iſt noch kaum in den Anfangsſtadien bewerkſtelligt worden. Oder bedurfte es hier nur des Einreißens? Sollte nach den ſo beliebten und bequemen Lehren der neueren Schule der Staat für den Aufbau gar nichts thun, vielmehr den freien geſellſchaftlichen Bewegungsprinzipien die Neugeſtaltung der Agrarverhältniſſe lediglich anheimſtellen? Dann war es eine Ano— malie, daß er überhaupt in dieſe Verhältniſſe eingegriffen hat. Wohin aber jene bequemen Lehren führen müſſen, und daß ſie ſelbſt bei einer im Uebrigen muſterhaften und redlichen Staatsverwaltung die allertiefeingreifendſten Mißſtände zur Folge haben, alle höheren Intereſſen des Kultur und Staatslebens vernichten müſſen, wird ſich auf das Beſtimmteſte zu erkennen geben, indem wir uns die heutigen v. Peg uilhen, die Landgemeinde. 2