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Die Landgemeinde in Preußen / von Moritz von Lavegne-Peguilhen
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Kulturverhältniffe.

Finden ſich große Kulturmißverhältniſſe als Ausnahmen vor, haben einzelne Ruſtikalbeſitzer ſich nicht zur durchſchnittli­chen Kulturſtufe ihres Standes erhoben, ſo mögen ſie ihrem Geſchicke erliegen. Mag die Wirthſchaft zum Verkauf kommen, und dadurch in tüchtigere Hände, ſelbſt in die eines grö ßeren Landbeſitzers gelangen, es wird daraus dem Gemein­wohl kein Nachtheil erwachſen. Ein Anderes iſt es aber, ſobald der ganze Stand der Ruſtikalbeſitzer unverhältniß­mäßig niedriger gebildet iſt, als der der größeren Landbe­ſitzer; ſobald dieſen ganz überwiegende Kulturmittel zu Gebote ſtehen, während die Landgemeinden noch von faſt allen Hülfsmitteln entblößt ſind, die ihnen die Fähigkeiten verleihen können, welche zur ordnungsmäßigen Erfüllung ihres Berufs unerläßlich ſind, die ſie daher in den Stand ſetzen, Verlegenheiten zu vermeiden, welche möglicherweiſe Zwangsverkäufe zur Folge haben, alſo der Ueberlegenheit der größeren Landbeſitzer Angriffspunkte darbieten können. Und dieſes Mißverhältniß in der Vertheilung der Kultur­mittel wird zur Zeit nicht in Abrede zu ſtellen ſein. Wäh­rend Gymnaſien, Akademieen und Univerſitäten ſeit Jahr­hunderten an der Bildung der Stände arbeiten, die durch ihren Wohlſtand und durch die Unabhängigkeit ihrer Stel­lung befähigt waren, von jenen Hülfsmitteln Gebrauch zu machen; während deren umfaſſende Wirkungskreiſe, die Genüſſe einer reichen Literatur, der geſellige Verkehr, die Reiſen in das Ausland ꝛc. in den ſo bevorzugten Familien einen Schatz von Intelligenz, Sittlichkeit und Thatkraft erzeugten, und durch die Erziehung in den Familien fort­pflanzten, findet ſich von allen dieſen großartigen Bildungs­mitteln in den Ruſtikalfamilien auch keine Spur vor. Von allen Schätzen, die ſeit Jahrtauſenden durch ein reges Kul­turleben erzeugt worden, iſt ihnen bisher kaum etwas Ans deres zu Theil geworden, als ihre heutige Freiheit und das Eigenthum ihrer Höfe Geſchenke, die, wie wir geſehen, bisher nur dornenreiche Früchte getragen haben. Zwar hat die preußiſche Regierung, beſonders in den letzten