Kulturverhaͤltniſſe. 79
eine fabrikmäßige Ordnung der Geſchäfte waltet. Dieſer Gegenſatz bedingt natürlich auch den Bildungsgang der großen und der kleinen Gutsbeſitzer. Jenen liegt nur die allgemeine Anordnung und Leitung ob. Sie beſtimmen den Gang der landwirthſchaftlichen Verrichtungen, die Richtung, welche dieſe einzuſchlagen haben, verfolgen die großen Geſichtspunkte der Wiſſenſchaft, des Weltverkehrs ꝛc., leiten daraus die nothwendigen wirthſchaftlichen Um- und Neugeſtaltungen ab; und es iſt auf dieſe Weiſe vornehmlich eine geiſtige, eine anregende, anordnende und vermittelnde Thätigkeit, ein Ueberwachen des wirthſchaftlichen und ſittlichen Verhaltens der Gutseinſaſſen ꝛc., was von ihm erwartet werden darf. Der Ruſtikalbeſitzer dagegen beſitzt in dem großen Nachbaren ein leitendes Prinzip, dem er folgen wird, ſoweit es ſich um Anwendung agronomiſcher Geſetze handelt; es bedarf von ſeiner Seite keiner tieferen Kombinationen, denen ſein Vermögen auch keine Grundlagen darzubieten vermöchte. Dagegen muß er neben der wirthſchaftlichen Anordnung und Leitung überall perſönlich eins greifen; er muß ſeine phyſiſchen Arbeitskräfte mit aller Anſtrengung walten laſſen, ſeine Familie muß ihn darin unterſtützen, und hiernach erſcheint die ſinnliche Bildung als ein ſehr erheblicher Moment in der Erziehung der ländlichen Bevölkerung.
Es liegt der Annahme, daß das Landleben ſchon an und für ſich der Entwickelung der phyſiſchen Kräfte ſo günſtig ſei, daß es einer künſtlichen Nachhülfe gar nicht bedürfe, ein großer Irrthum zum Grunde. Die militairiſchen Aushebungsliſten werden hier eine vollſtändige Widerlegung geben. Ja es ſind die Klagen nicht ſelten, daß die ländliche Jugend ſogar weniger dienſttaugliche Mannſchaften liefere, als die ſtädtiſche; daß die Geſellſchaft auch in dieſer Beziehung zurückgeſchritten ſei. Nur durch lebhafte und vielſeit ige Thätigkeit können die organiſchen Kräfte zu den höheren Entwickelungsſtadien gelangen. Der Bauerjunge liegt aber entweder den Tag über beim Vieh, oder