86 Kulturverhaͤltniſſe.
bei Vernachläßigung der geiſtig-ſinnlichen Kultur unerreich— bar ſind.
Wir haben geſehen, daß mit der Auflöſung des Paz trimonialſtaats ein großer Theil der von den Gutsherren bisher wahrgenommenen Adminiſtrativfunctionen frei geworden iſt, und daß auch dieſe Lücke in irgend einer Weiſe ausgefüllt werden müſſe. Wie groß auch die Anſtrengungen des Centralſtaats zur Löſung dieſer Aufgabe ſein mögen, er wird immer der Lokalorgane bedürfen; dieſe werden nur aus den Ruſtikalbeſitzern ſelbſt hervorgehen können, die ſich daher einen ſo hohen Grad von politiſcher Bildung aneignen müſſen, als zur Wahrnehmung der ihnen anheimfallenden Functionen eines Hausvaters, Mitgliedes des Gemeinderaths und zur Handhabung der polizeilichen Ordnung nothwendig iſt. Je mehr die unmittelbaren Staatsbehörden ihren Vortheil begriffen haben, je mehr das Orts-, Kirchſpiels-,, Kreis- und Provinzialgemeindeleben ſpyſtematiſch organiſirt, je mehr Geſetzgebungs⸗ und Verwaltungsbefugniſſe ihnen anheimgegeben worden ſind, um ſo umfaſſender wird die politiſche Bildung der Ruſtikalbeſitzer ſein müſſen. Um dieſe hervorzurufen, wird die Kommunalverfaſſung in den Schulen erläutert, und eine Zuſammenſtellung der für den Landmann beſonders wichtigen Geſetze in denſelben vorgetragen werden müſſen. Die Landräthe werden den Gemeindeverſammlungen zu Zeiten beiwohnen und die Schulzentage zu zweckmäßigen Belehrungen benutzen müſſen; Oeffentlichkeit der Zuchtpolizei⸗ und Gerichtsverhandlungen, freie Beſprechung der Gemeindeangelegenheiten in den Kreisblättern, Auszeichnung der tüchtigeren Gemeindebeamten ar. werden die politiſche Bildung auf eine entſprechende Höhe erheben.
Hiernach giebt ſich uns der Wirkungskreis des Ruftikalbeſitzers als einer der vielſeitigſten und intereſſanteſten zu erkennen, zu deſſen Ausfüllung eine große Summe perſonlicher Kräfte ausgebildet, d. h. eine hohe Kulturſtufe erreicht werden muß, wenn anders den mannigfachen