Druckschrift 
Die Landgemeinde in Preußen / von Moritz von Lavegne-Peguilhen
Seite
93
Einzelbild herunterladen

Gemeindeordnung. 93

In Preußen hat man ſich vorläufig dadurch zu helfen geſucht, daß ungeachtet der vollkommnen Freiheit des Eigen­thums und der Perſonen, doch die feudalen Verwaltungs­formen beibehalten worden ſind. Die Patrimonialgerichte beſtehen nach wie vor; der Grundherr ernennt die Gemein­devorſteher in den emanzipirten Ortſchaften, er verwaltet die Polizei 20.5 kurz, obwohl ſich das innere Weſen vollſtändig geändert hat, iſt doch das ganze Gerüſte der alten Verfaſſung ſtehen geblieben. Vielleicht war dies auch zunächſt das Klügſte. Man konnte annehmen, daß anfänglich die Ge­wohnheit althergebrachter Verhältniſſe noch das Ganze zu­ſammenhalten, erhebliche Konflicte verhindern würde. Die wirthſchaftliche Konkurrenz zwiſchen dem Grundherrn und feinen ehemaligen Unterthanen konnte in den erſten Decen­nien nicht ſehr lebhaft ſein, da auch jene mit den Schwie­rigkeiten des Ueberganges zu kämpfen hatten. Aber endlich wird man doch daran denken müſſen, die täglich greller her­vortretenden Konflicte zu beſeitigen.

Dieſe geben ſich in ihrer ganzen Augenſcheinlichkeit zu erkennen, ſobald man erwägt, daß vermöge der beſtehenden Verfaſſung der Grundherr die Oberbeamten in ſolchen Ge­meinden ernennt, an die er durch keine gemeinſamen Inter­eſſen gebunden iſt; mit denen er konkurrirt, deren Grund­vermögen er möglicher Weiſe anzukaufen wünſcht, deren Auflöſung er auf dieſe Weiſe beabſichtigt. Ferner: daß er die Polizei handhaben, die ſich ereignenden Verbrechen zur richterlichen Cognition bringen, zugleich aber die dadurch ewachſenden, oft ſehr bedeutenden Koſten aus eignen Mit­teln zahlen ſoll. Wie iſt bei ſolchen Widerſprüchen an eine gedeihliche Fortentwickelung des inneren Gemeindelebens auch nur zu denken? Wenn es dem ſittlichen Gefühle widerſtrei­tet, die Entdeckung von Verbrechen durch Prämien zu be­lohnen, ſo widerſtreitet es doch nicht minder der gemeinen Klugheit, den Entdecker durch bedeutende Koſten zu ſtrafen. Und dies in einer Zeit, in der jene althergebrachte grund­herrliche Gewalt nicht mehr ausſchließlich Männern anver­