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Die Landgemeinde in Preußen / von Moritz von Lavegne-Peguilhen
Seite
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94 Gemeindeordnung.

traut iſt, die durch ihre Erziehung in gebildeter Familie eine Garantie ihrer Sittlichkeit geben; in der vielmehr auch die niedrigſten Kulturſtadien durch einiges Geld zu jener Gewalt gelangen können, ſofern ſie nur vor Kriminalunterſuchung ſich zu hüten gewußt haben. Es find aber gerade dieſe Verhältniſſe dem innerſten Leben der Landgemeinden beſon­ders verderblich geweſen.

Wenn daher die politiſche Gewalt der Grundherrn über die ehedem unterthänigen Landgemeinden nicht ferner auf­recht zu erhalten iſt, nachdem alle Bande gelöſet worden, durch welche beide bisher aufs innigſte vereint waren, be­darf es der Erwägung, inwieweit dieſe Gewalt auf die Staatsbehörden übergehen müſſe, oder ob den freien Ge­meinden das volle Recht der Selbſtregierung anheim zu ge ben ſei. Um dieſe wichtige Frage zu erledigen, wird man das innere, ſubjective Leben der Gemeinde, und deren äuße­res, objectives Verhältniß zur Geſellſchaft zu unterſcheiden haben. Dieſe Unterſcheidung iſt für alle organiſche Weſen, für das Individuum, für die Familie, die Wirthſchaft, den Verein, die Gemeinde ꝛc. von entſcheidender Wichtigkeit. So wenig der Staat das innere Leben des Individuums, etwa den religiöſen oder politiſchen Glauben anbefehlen, oder den inneren Wirthſchafts., Vereins- oder Familienhaushalt durch ſeine Behörden regeln darf, eben ſo wenig wird er die innere Verwaltung der Gemeinde leiten dürfen. Hier wird er überall der freieſten Entwickelung Raum geben müſſen. Er wird dazu um ſo mehr genöthigt ſein, als ſelbſt bei dem redlichſten Willen und bei dem koloſſalſten Beam­tenperſonal, die Kräfte des Centralſtaats nimmer ausreichen werden, um das unermeßliche Gebiet der Gemeindeverwal­tung auszufüllen; weil der Staat um ſo mehr Gefahr läuft, durch Geſchäſtsüberbürdung zu Grunde zu gehen, je tiefer er auf das innere Familien, Wirthſchafts⸗, Vereins⸗ und Gemeindeleben unmittelbar einzuwirken ſich beſtrebt. Auch darf nicht überſehen werden, daß durch eine bevormundende Richtung der Staatsthätigkeit endlich die Charakterbildung