Gemeindeordnung. 97
daß ſelbſt die grundherrliche Gewalt durch die Innigkeit dieſer Verbindung in ihrer mißbräuchlichen Anwendung beſchränkt wurde. Heute giebt es unter den Ruſtikalbeſitzern kaum noch gemeinſame Intereſſen, wenigſtens nicht ſolche, die das innere wirthſchaftliche Leben berühren. Das Gemeinvermögen iſt getheilt, die Laſten und Pflichten ſind geſondert; jeder ſteht für ſich allein da, ohne durch irgend ein reales Band an ſeinen Nachbarn gefeſſelt zu fein. Dieſe Intereſſen müſſen jedoch zugleich materieller Natur ſein, wenn ſie ein dauerndes und feſtes Band unter den niedrigen und mittleren Kulturſtadien begründen ſollen*). Die etwa äußerlich noch fortbeſtehenden Formen des Ge: meindelebens danken ihr Daſein mehr der Gewohnheit; ſie haben ganz überwiegend den Charakter der Polizeiinſtitute angenommen. Hierin liegt ganz beſonders der Grund, weshalb die Städteordnung noch ſo wenig Erfolg gehabt hat; es fehlt das die Bürger umſchließende reale Band. Wie unzerſtörbar und mächtig muß dieſes geweſen ſein, als in den Zeiten der Fehde und des Fauſtrechts die Exiſtenz der Bürger durch ihr Zuſammenhalten bedingt war? Die gemeinſame Gefahr iſt ein mächtiges Vereinsband. In unſerer Provinz finden wir in den Niederungen ein hoch ausgebildetes Gemeindeleben, das vornehmlich in der gemeinſamen Waſſersgefahr und in dem gemeinſamen Kampfe wider das feindliche Element ſeine Grundlage hat.
Nach der Vernichtung der den unterthänigen Gemeinden eigenthümlichen Vereinsbande handelt es ſich darum, ob überhaupt unter den Bewohnern einer ſeparirten Dorffeldmark ſich gemeinſame Intereſſen herſtellen laſſen, die ſtark und einflußreich genug ſind, um darauf ein tüchtiges Gemeindeleben zu baſiren. Man darf dies annehmen, denn wo ein wahres Bedürfniß ſich zu erkennen giebt, gewährt der harmoniſche Organismus auch überall die Grundlagen der Befriedigung. Und in der That— man verſage nur
) Vergl. v. Haxthauſen, Gutachten Th. 1. S. 147 v. Peg uilh en, die Landgemeinde. 7