Gemeindeordnung. 99
Weſtphalen waren bis zur franzöſiſchen Occupation die Steuer- und Schuldverhältniſſe die weſentlichſten Gegenſtände des Gemeindehaushalts. Die Steuern wurden zuerſt auf die ganze Gemeinde gelegt, und die Vertheilung unter die einzelnen Glieder theils ihnen ſelbſt überlaſſen, theils durch Matrikeln die allgemeinen Grundſätze der Vertheilung, z. B. für jeden Morgen Land vier Pfennige ꝛc. feſtgeſetzt; allein der Grundſatz blieb, daß die Gemeinde als Gan— zes für die ganze Steuer einſtehen müſſe. Spätere Anbauer zahlten daher keine landesherrliche Steuer, ſondern nur in die Gemeindekaſſe. Bei den Realgemeinden der ſüdlichen Gegenden kommen ſchon im ſechszehnten Jahrhunderte Schulden vor; ſie waren dort hypothezirt auf das Gemeindevermögen; allein die Gemeindegenoſſen mußten, wenn jenes Grundvermögen nicht zureichte, mit ihrem Pri— vatvermögen haften, die Einzelnen waren alſo hier nicht Schuldner, ſondern Bürgen».
So find gemeinſame und ſolidariſche Steuer: und Schuldverbindlichkeiten ſchon in älteren Zeiten die Grundlage des Gemeindelebens geweſen; man wird ſie ſoviel wie irgend möglich wieder herſtellen müſſen, um mittelſt derſelben neue Gemeindebande zubilden. Es wird dies in Beziehung auf die Repartition der Klaſſen⸗ und anderen directen Steuern keine Schwierigkeiten finden, und der Staat erſpart zugleich bei deren Veranlagung, Einziehung ꝛc. eine unſägliche Arbeit; er beſeitigt aber auch ein weſentliches Hinderniß der Heimaths— veränderung. Denn während die Gemeinden heute neue Ankömmlinge fürchten, weil ſie möglicher Weiſe dem Armen— fonds läſtig werden können; werden ſie künftig Jedermann gerne aufnehmen, weil ihnen dadurch wenigſtens eine vor— übergehende Steuererleichterung erwächſt. Es iſt die durch Armenverhältniſſe ſich neuerdings geſtaltende Hörigkeit die drückendſte und herabwürdigendſte, die je beſtanden hat; und wenn die Fixirung der directen Steuern für die einzelnen Gemeinden
) Vergl. v. Haxthauſen, Gutachten. Th. J. S. 11.
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