100 Gemeindeordnung.
ein Weg zur Beſeitigung ſo unwürdiger Feſſeln iſt, ſo wird man denſelben ſchon um deshalb auf das Entſchiedenſte vers folgen müſſen.
Sollen aber die Wechſelverbürgungen nicht zu erheblichen Verletzungen führen und endlich die Sicherheit der Exiſtenzen bedrohen, ſo muß den Gemeinden ein Auſſichtsrecht über das wirthſchaftliche und ſittliche Verhalten der einzelnen Genoſſen eingeräumt werden; ſie dürfen nicht gezwungen werden, neue Mitglieder aufzunehmen, deren Vermögen, Wirthſchaftstüchtigkeit oder Ehrenhaftigkeit zwei—ſelhaft ift. Der Stand der Ruſtikalbeſitzer muß ein wahrer bürgerlicher Ehrenſtand werden, weil nur die Mitglieder eines ſolchen ohne weſentliche Gefährdung für einander haften können. So ergiebt ſich, daß, wie die ſittliche Kultur Zweck des geſellſchaftlichen Lebens, fie auch zugleich Bedingung ſeiner Entwickelung iſt. Ueberall in dem geſunden Geſellſchaftsorganismus offenbart ſich harmo— niſche Uebereinſtimmung der Beſtandtheile und Kräfte. Deshalb wird zunächſt die Verkäuflichkeit der Ruſtikalhöfe dahin zu beſchränken ſein, daß jeder Kaufkontrakt durch die betreffende Gemeinde ſanctionirt werden muß, bevor er zur Vollziehung gelangt?). Die Gemeinde wird demnach die Vermögenslage, wirthſchaftliche Tüchtigkeit und Ehren— haftigkeit desjenigen zu beurtheilen haben, der ihr Mitglied
) Wir finden vor 1803 in der Altmark einen völlig abgeſchloſſenen Bauernſtand, der als ſolcher verfaſſungsmäßig beſtimmte Rechte und Verpflichtungen hatte. Aber nicht der Einzelne für ſich hatte dieſelben perſönlich, und im Allgemeinen als Bauer, ſondern nur inſofern er Mitglied einer der Korporationen war, welche zuſammengenommen den Bauernſtand bildeten, nämlich die Dorfgemeinden. Ein fremdes, nicht von einem Mitgliede dieſer Gemeinde abſtammendes Bauernkind hatte kein Recht im Dorfe zu wohnen, oder in demſelben einen Hof oder Haus zu kaufen, oder durch eln etwa gekauftes Haus das Recht an dem Vermögen der Korporation Theil zu nehmen, ohne Einwilligung dieſer Korporation. Vergl. v. Haxthauſen, Gutachten. Th. 2. Seite 565.