110 Rechts- und Polizeiverfaſſung.
gegenſtellten. Ja es ward dieſes geradezu Pflicht, als in Folge des Edicts vom 9. October 1807 die Grundherrn nicht mehr ausſchließlich den gebildeten Familien angehörten, ſobald vielmehr auch die niedrigſten Kulturſtadien, ohne weitere Prüfung oder Beſtätigung, zur Ausübung der Gerichtsbarkeit gelangen konnten.
Das Beſtreben des Staats, den Reſſort der grundherrlichen, und beſonders der weniger zuverläßigen Polizeibehörden zu beſchränken, ſtieg in dem Maaße, wie die neuere Agrargeſetzgebung zur Ausführung gelangte, wie demnach der gutsherrliche Nexus lockerer ward, und ein Syſtem der wirthſchaftlichen Konkurrenz an die Stelle der zerſtörten Feudalaſſociation trat. Man bemühte ſich, den beſtehenden Landesgeſetzen durch Reſcripte eine Deutung zu geben, die einen weſentlichen Theil der bisherigen Polizeifunctionen den Juſtizbehörden zuwies. Der kleine Felddiebſtahl, der Diebſtahl unter fünf Thaler, die Jagd⸗ und Forſtkontraventionen, die Fälſchung der Reiſepäſſe, Wanderbücher und Dienſtentlaſſungsſcheine, die Beſchädigungen aus Muthwillen ꝛc. wurden der Cognition der Polizeibehörden aus Gründen entzogen, die ſich nicht ſelten widerſprachen, oder denen doch keinesweges ein allgemeines Prinzip zum Grunde lag‘). Es be: kundete ſich vielmehr durch das geſammte Gebiet der Staatsund Kommunalverwaltung, mit welcher Unbequemlichkeit ſich der Geiſt der neueren Geſetzgebung in den älteren Formen bewegte.
Als nächſte Wirkung dieſer durch Reſcripte verſuchten Modification beſtehender Landesgeſetze ergiebt ſich zuvörderſt Rechtsunſicherheit. Nach der beſtehenden Ver
Vergl. Allg. Landrecht Thl. 2. Tit. 17. 38, 61. 62. Tit. 20. 38. 1122— 24. 1264. 65. 1384. sed. 1490. 91. Reglement für die Weſtpreußiſchen Untergerichte vom 20. Auguſt 1802. 5. 2. f— i. MiniſterialReſcript 19. April 1819. 25 Febr. 1820. 2. Auguſt 1828. 6. Septbr. 1828. 11. Dezbr. 1829. 4 Febr. 1830 2c. in v. Kamptz Jahrbüchern u. Annalen.