Rechts- und Polizeiverfaſſung. 111
faſſung können Geſetze nicht durch Reſcripte geändert werden. Jedoch pflegen die Verwaltungsbehörden dieſen eine größere Kraft beizulegen, als die Landes; Juſtiz⸗ Collegien, und daher rühren beſonders die verſchiedenen Anſichten, welche unter den Behörden einer Provinz nicht ſelten über die wichtigſten Rechts- und Verwaltungsgegenſtände herrſchen. Dann aber haben die Bemühungen der StaatsBehörden durch Einſchränkung des Polizeireſſort, Beſtimmung weitläuftiger Förmlichkeiten und ausgedehnter Rekurs— inſtanzen, der Bedrückung und mißbräuchlichen Anwendung der gutsherrlichen Strafgewalt vorzubeugen, einerſeits über— mäßig harte Beſtrafung, andrerſeits völlige Strafloſigkeit zur Folge gehabt. Beide Uebelſtände haben nicht verfehlen können, ſich in betrübenden Erſcheinungen kund zu geben. Wenn die Polizei durch ihre Strafen warnen, zurechtweiſen, beſſern ſoll, dadurch Verbrechen verhütend iſt, ſo erſcheint die Kriminaljuſtiz mehr rächend, vernichtend, in ihren Strafen rückſichtslos dem Buchſtaben des Geſetzes folgend. Wo ſie beſſern will, da erkennt ſie auf Zuchthaus; und dieſe Strafe iſt wie jede Kriminalſtrafe an und für ſich vernichtend, weil ſie den Beſtraften in den Augen der Nation brandmarkt, ihm und feiner Familie den Lebensunterhalt erſchwert, ja unmöglich macht. Denn Niemand will den einer Kriminalſtrafe Unterlegenen oder gar aus dem Zuchthauſe Entlaſſenen, Arbeitſuchenden in Dienſt nehmen. Dadurch wird der Unglückliche gezwungen, die Lehren, welche ſeine Leidensgefährten im Zuchthauſe ihm reichlich ertheilt haben, in Anwendung zu bringen, das Diebeshandwerk im Großen zu treiben. Hier wird offenbar durch die Meinung, oder, wenn man will, durch das Vorurtheil der Nation die Strafe unendlich geſchärft; ſie wird vernichtend— Verbrechen hervorrufend. Dieſe Vorurtheile dürfen bei Reſſortwie bei Strafbeſtimmungen, nicht unbeachtet bleiben. Die polizeilichen Strafen haben in den Augen der Nation nichts Herabwürdigendes, weil ſie ihrer Natur nach correctionel ſind; ſie ſchaden deshalb dem Beſtraften nicht weiter in ſei