112 Rechts- und Po lizeiverfaſſung.
nem Lebensglück, und dieſer wichtige Unterſchied zwiſchen Po— lizei⸗ und Gerichtsſtrafen muß vor Allem bei Sonderung des Polizei- und Juſtizreſſort beachtet werden; er muß dabei den Hauptgeſichtspunkt bilden, ſobald es gelungen ſein wird, den Polizeibehörden eine Verfaſſung zu geben, welche bei ihnen ſo wenig Mißbräuche als bei den Gerichten be: fürchten läßt. Gleichzeitig führt dieſe übermäßige Ausdehnung des Juſtizreſſort ebenſo unvermeidlich zur völligen Strafloſigkeit, fo lange die Patrimonialgerichtsbarkeit beibehalten wird, ſo lange der Gutsherr die Koſten der Verbre— chen tragen muß, die er in feiner Eigenſchaft eines Polizeibeamten zur richterlichen Cognition zu bringen hat.
Es darf nicht in Zweifel gezogen werden, daß eine Rechtsverfaſſung, die Strafloſigkeit und Verbrechen fördert, jede polizeiliche Verwarnung hindert, geringfügige Vergehen fo übermäßig ſtraft, daß neue und große Verbrechen daraus hervorgehen müſſen, dem Bedürfniſſe der Ge: ſellſchaft in keiner Weiſe entſprechen könne. Doch beſchränken ſich dieſe Mißverhältniſſe nicht bloß auf das Gebiet der Vergehen und Strafen; auch die Erziehung, das Vermögen, die Ordnungs⸗ und Sittenpolizei werden dadurch aufs Tiefſte berührt.
Die ihrer Wichtigkeit wegen den Dorfgerichten und den grundherrlichen Polizeibehörden entzogenen Geſchäfte ſind im Laufe der Zeit zu einem Umfang angewachſen, daß die ordentlichen Gerichte und die Verwaltungsbehörden dadurch erdrückt, und ihrer eigentlichen Beſtimmug gänzlich entzogen werden. Man darf hier nur an die Art er: innern, wie die Vormundſchaften und die vormundſchaftlichen Vermögensverwaltungen von den Gerichten geleitet werden. Und doch wäre es ungerecht, dieſe für ihre zahlloſen Mißgriffe verantwortlich zu machen. Denn während bei manchen Gerichten Tauſende von Vormundſchaften ſchweben, dem einzelnen Descernenten daher mindeſtens mehrere hundert nebenher zufallen, wird auch der redlichſte Eifer und die eminenteſte Kenntniß nicht vor Mißgriffen ſchützen