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Der Talmud vom Standpunkte des modernen Judenthums / von Emanuel Schreiber
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9) Abraham trug einen Himmel in ſeinem Herzen(B. Bathra 15), d. h. voll von Gottesbewußtſein und Menſchenliebe konnte er ſich nicht auf ſich allein beſchränken, ſondern wollte die ganze Menſchheit umſpannen, auf alle ſeine Mitgenoſſen aufklärend wirken, ſie Alle von Aberglauben und Götzendienſt befreien.

10) Eine andere Allegorie lautet: Die Engel, welche nach Sodom kamen, um die Stadt zu zerſtören, erſchienen nur dem Lot als Engel, dem Abraham hingegen als Menſchen(Ber. r. 50), d. h. was dem ohne höheren Sinn, ohne idealen Flug matt und ſchlaff im ſündigen Sodom hinlebenden Lot für unerreichbar und übermenſchlich gilt, das liegt dem Manne voll Gotteskraft, dem für das Gute und Wahre ſtets begeiſterten Abraham ſehr nahe, das lebt in ihm ſelbſt, iſt für ihn etwas Selbſtver ſtändliches, Natürliches Menſchliches.

11) Drei Eingänge führen in die Hölle, der erſte in der Wüſte, der zweite auf dem Meere, der dritte iſt in Jeruſalem(Erubin 19). Dieſe Allegorie deutet Jellinek folgendermaßen: Der erſte Eingang iſt in der Wüſte, in der ſchaurigen Oede und Leere des ſandigen und ſündigen Herzens, wo kein Quell der Güte fließt, und keine Blume der Wahrheit ſprießt, wo die Schlangen der Liſt und der Luſt ſich winden und durch ihren Hauch vergiften; der zweite auf dem Meere, in der ſchäumenden Seele, deren Inneres aufgewühlt wird von dem Sturm des Böſen, das mit ſeinen Rieſenarmen bis auf den tiefſten Grund reicht; der dritte in Jeruſalem, auf heiligem Boden, dort, wo die religiöſen Parteien aus Liebe zu Gott einander haſſen, im Gebete zu Gott einander verwünſchen, im Vertrauen auf Gott einander bekämpfen, mit geballter Fauſt, mit ſchäu­menden Lippen und mit wüthenden Blicken Gott anrufen, daß er ihre Gegner; die aber nicht immer ſeine Gegner, verderbe und vernichte. Das ſind die drei Thüren der Hölle, an denen der Menſch allein auf Erden arbeitet, die Schlüſſel dazu ſich ſelbſt ſchmiedet und mit ſich nimmt, wenn er aus dem Leben ſcheidet.(Zeitſtimmen II, S. 77-78.)

12) Als Israel aus Egypten zog, gab es darunter Viele, die durch die Arbeit mit Lehm und Ziegeln manche Gebrechen ſich zuzogen, d. h. der ägyptiſche Druck, der Jahrhunderte auf Israel ſchwer laſtete, hat in mancher Beziehung nachtheilig auf dieſes gewirkt. Die Moral dieſes pſycho­logiſch bedeutſamen Ausſpruches auch für die Gegenwart anzuwenden, überlaſſen wir jedem redlich Denkenden.

13) Es giebt einen Engel, deſſen Füße auf Erden ſind, deſſen Haupt aber an den göttlichen Thron hinaufreicht, und dieſer Engel windet Kränze