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Der Talmud vom Standpunkte des modernen Judenthums / von Emanuel Schreiber
Entstehung
Seite
43
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Judenhaß ſelbſt dann unbegreiflich, wenn die lügenhafte Beſchuldigung wahr wäre, daß wir Feinde der Chriſten ſeien, von den vielen Juden und Ketzerverbrennungen ganz zu ſchweigen. Aber daß wir den Feinden Gutes thun, wird uns auch im A. T. und Talmud eingeſchärft. Hungert Dein Feind, ſo ſpeiſe ihn, dürſtet er, gieb ihm zu trinken(Spr. Sal. 25, 21),Fällt Dein Feind, freue Dich nicht(ibid. V. 22).Sprich nicht, wie er gethan, ſo thu' ich(ibid. 20 22).Räche Dich nicht, trage keinen Haß nach(2. Moſ. 9, 18).Fällt der Eſel oder Ochs Deines Feindes, ſo mußt Du ihm aufhelfen und dem Feinde zurückbringen(Exod. 23, 5 6). Bedarf Dein Freund unſerer Hülfe beim Abladen und der Feind beim Aufladen, ſo ſollen wir dem Feinde zuerſt helfen(Talm. B. Mezia 32). Man darf nie die Strafe Gottes gegen die Schuldigen wünſchen(Berachot 7b). David wird im Talmud getadelt, weil er Saul gegenüber mit ſeinem Edelmuth prahlte.Wer haßt iſt einem Mörder gleich(Derech erez c. 11). Wie iſt es möglich, daß ein Gottesfürchtiger überhaupt einen Menſchen haſſen und als Feind betrachten kann leſen wir im Talmud (Peſſachim 113)? Dieſe Stelle geht alſo ſogar noch über das N. T. hinaus, welches doch wenigſtens vonFeinden ſpricht. Es wird eine Sage berichtet, daß die Engel beim Untergange der Aegypter im Meere ein Freudenlied ſingen wollten, worauf Gott erwiderte: Meine Geſchöpfe gehen zu Grunde und Ihr wollt Jubellieder anſtimmen? (Sanh. 39, Exod. rabba 15). Rabbi Meir betete, daß nicht die Sünder, ſondern die Sünden aufhören mögen. R. Chija betete: Möge, o Gott , keine Feindſchaft gegen irgend einen Menſchen in meinem Herzen Wurzel faſſen. Der weiſe Hillel ſagte einem Heiden, der zum Judenthum über treten wollte.Was Du nicht willſt, daß Dir geſchehe, das füge keinem Andern zu, das iſt der Kern der jüdiſchen Religion, alles Andere iſt nur Kommentar(Sabb. 31, Nedarim 7, Gen. rabb. 24). Die Menſchen haben deshalb alle einen Stammvater, damit ſie nicht ſtolz und inne werden, daß ſie vor Gott alle gleich ſeien (Sanh. 38). Die zehn Worte(Dekalog) wurden deshalb in der Wüſte, auf neutralem Boden und nicht in Paläſtina offenbart, damit alle Men ſchen ſie hören und annehmen können(Mechilta Jithro). R. Akiba ſagt: Der wichtigſte Satz in der Thora iſt: Liebe Deinen Nächſten wie Dich ſelbſt. Ben Aſai ſagt: Noch wichtiger iſt der Satz: Das iſt das Buch der Geſchlechtsfolge Adams, denn Adam heißtMenſch, geliebt iſt er, weil er im Ebenbilde Gottes geſchaffen iſt(Abot III. 18).Wer iſt der Ehre werth? Der die Menſchen ehrt(ibid. 41).Die Gerechten