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Math. 7, 1.„Richtet nicht, auf daß Ihr nicht gerichtet werdet, denn mit welcherlei Gericht ihr richtet, werdet ihr gerichtet werden und mit welcherlei Maß ihr meſſet, wird man euch meſſen. Aehnlich im Talmud: „Beurtheile deinen Nächſten nicht eher, als bis du in ſeine Lage gekommen“, ſagte Hillel(Abot IT, 4). Man muß Allem die beſte, günſtigſte Seite abzugewinnen ſuchen(Ber. 31). Der Richter ſei beim Urtheilſprechen ſo von Gottesfurcht durchdrungen, als liege ein ſcharfes Schwert neben ihm (Sanh. 7, Ket. 105). Jeruſalem wurde zerſtört, weil man nach dem ſtrengen Buchſtaben und nicht nach dem milderen Geiſte des Geſetzes das Recht ſprach(B. Meziah 30P).
In Civilſachen lag den Richtern die Pflicht ob, auf gütlichen Ver— gleich hinzuarbeiten. Die Parteien mußten vor Gericht gleich gekleidet ſein. ‚Weun die Parteien vor dir ſtehen, mußt du ſie beide für ſchuldig, wenn ſie entlaſſen ſind, beide für nichtſchuldig betrachten“(Abot 3).
Im Civilprozeß genügten 3, bei Criminalſachen mußten 23 Richter zugegen ſein, das jüdiſche Recht kennt 4 Todesarten: Steinigung, Verbrennung, Erdroſſelung und Köpfung,— Kreuzigung exiſtirte bei den Juden gar nicht, ſondern bei den Römern. Die Zeit geſtattet es nicht, auf das außerordentlich humane Prozeßverfahren der Juden, namentlich in Criminalſachen, näher einzugehen, vielleicht beſprechen wir dies intereſſante Thema in einem beſonderen Vortrage, für unſeren Zweck genügt der Ausſpruch des Talmud: Ein Gerichtshof, der je in einem Zeitraum von ſieben Jahren eine Todesſtrafe vollzieht, wird ein mörderiſcher genannt(Maccot 1, 10). Rabbi Tarfon und Rabbi Akiba ſagten ſogar: Hätten wir zum Gerichtshof gehört, wäre nie ein Todesurtheil geſprochen worden. Wenn auch nicht de jure, ſo war jedenfalls de facto die Todesſtrafe bei den Juden abgeſchafft.
V. 2.„Mit dem Maße, mit dem ihr meſſet, wird euch gemeſſen.“ Als Hillel einen ſchwimmenden Schädel ſah, rief er: Weil du Andere ertränkt haſt, hat man dich ertränkt, das Ende Derer, die dich ertränkt haben, wird auch das Ertrinken ſein(Abot II. 7). Vom Böſen kommt Böſes, vom Guten Gutes(Schabb. 32).
V. 3.„Was ſiehſt du den Splitter in deines Nächſten Auge und nicht den Balken in deinem?“ Aehnlich: Es war ein Sprüchwort, daß man Demjenigen, welcher ermahnte: Ziehe den Splitter aus deinem Auge, zur Antwort gab: Schaffe den Balken fort aus dem deinigen(B. Bathra 15). Der Schmähende hat gewöhnlich den Fehler an ſich, welchen er an An—
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