Heft 
(1955) 4
Seite
102
Einzelbild herunterladen

der rechten Schulter, von dem des Bräutigams auf der linken Schulter getragen und hohe Zylinderhüte schmückten sie selber.

Viele Einladungsverse gab es. Einer, dessen Dichter unbekannt ist und der nach Angaben von alten Leuten schon über 100 Jahre alt ist, sei hier wieder gegeben.

Köstenbitter der Braut:

Denn nach sonderbarer Profedeutung und Schickung Gottes sind wir beide Personen ausgefertigt und abgesandt. Nicht allein von unsertwegen, son­dern von Braut und Bräutigam ihretwegen, als von dem ehr- und tugend- samen Junggesellen (Name) ehelicher ältester Sohn dessen Vater Vollbauer (Kossät) (Name) mit seiner verlobten Braut (Name) eheliche und älteste Tochter des Vollbauern (Name). Diese beiden Personen haben sich Zusage und Verlöbnis soweit gehalten bis auf die Priesterliche Kopulation, deshalb lassen sie Euch und die Eurigen grüßen und bitten um eine wohlgerechte Ehe.

So dies geschieht, so geschieht es Gott zu Ehren, Vater und Mutter zu Ehren, Bruder und Schwester zu Ehren und der ganzen Freundschaft zum Wohlgefallen. Nach der priesterlichen Kopulation wollen wir wieder um­kehren und in das hochzeitliche Haus einkehren und uns zu Tische setzen hoch und niedrig, so wie es die Gelegenheit gibt, und an Essen und Trinken fürlieb nehmen, so wie es der liebe Gott beschert hat.

Köstenbitter des Bräutigams:

Denn sofern er das seine verrichtet hat, habe ich noch eine kleine abson­derliche Bitte an die Großen und an die Kleinen!

Sie sollen alle angenehm und gebetene Gäste sein;

sie sollen sich setzen bei den Tisch,

dabei sollen sie sein recht munter und frisch.

Wir wollen sie beschenken mit Bier und Brandwein, dabei sollen sie recht lustig und fröhlich sein,

Habe ich meine Bitte nicht recht angebracht, so hab ich vielleicht an die Jungfern gedacht,

Gestern abend wollte ich studieren; da taten mich die Mädchen fexieren.

Denn solche Bitten wollen Braut und Bräutigam nicht gerne untersagt haben. Denn was sie an Euch und den Eurigen tun können, wollen sie allezeit dienstwillig und bereit sein. Ihr werdet die Sache besser verstehn und wollt Euch fleißig einstellen!

Hatten beide ihre Verse hergesagt, wurden Sie mit Branntwein oder mit selbstgemachtem Obstwein bewirtet und erhielten einen Taler Taschengeld.

102