Heft 
(1955) 4
Seite
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wurden die Schienen gelegt, um den Handels- und Reiseverkehr zu erleich­tern und die Städte zu verbinden. Im 20. Jahrhundert erdreisten sich die Söldlinge eines anderen Kontinents, diese Verbindung zu stören, indem sie eine widernatürliche Grenze errichteten. Wer ein Deutscher ist, wird gegen die Machenschaften solcher Eindringlinge und Friedensstörer kämpfen Wir werden sie hinauswerfen. Das weiß ich, und ich glaube daran.

Drei Gebäude heben sich vor meinen Augen aus der Massierung der Häuser: Die Oberschule, das Krankenhaus und die Jahnschule. Das letzte Gebäude trägt den Namen unseres Friedrich Ludwig Jahn, des Sohnes unserer Prig- nitzer Heimat, geboren im Jahre 1778 im Dorfe Lanz bei Lenzen. Ein Mann, der sein Leben der sportlichen Ertüchtigung der deutschen Jugend widmete, der 1813 für die Freiheit unseres Vaterlandes gegen den Despoten Napoleon ins Feld zog.

In der Nähe der Schule liegt der Platz der Republik. Ich kann ihn nicht sehen, aber ich denke an ihn, wie man an ein gutes, altes Stück Heimat­erde denkt, das uns in der Jugend den WittenbergerRübezahl bescherte. Rübezahl nannten wir den Butterhändler Seidel aus der Bürgerstraße, der Sommer und Winter im dünnen Hemd, das seine breite Brust freigab, unbestrumpft und aufJesuslatschen dahergestampft kam. Immer trug er einen breitrandigen Hut, und sein großer, wehender Bart verlieh ihm noch mehr das Aussehen eines Waldgeistes. Wenn wir die Schulstunden hinter uns gebracht hatten, dann eilten wir zum Markt, umschlichen Seidels Bude, spähten heimlich und verstohlen durch die Öffnungen der Zeltplane und betrachteten verwundert seine nackten Füße, die ihm anscheinend nie kalt wurden, während uns schon der Frost die Ohren zwickte.

Vor mir liegt die Stadt, die ihr Gesicht innerhalb eines Jahrhunderts so sehr wandelte. Wenn ich nach Süden blicke, sehe ich die Altstadt mit ihren kleinen, windschiefen Häusern, die engen Gassen, das Gaswerk und die Schulen, die Kirche und dieAlte Burg, Lagerhäuser, Kräne und Fabriken, den stählernen, schlanken Leib der Elbbrücke und das Silberband des Flusses, leuchtend und gleißend vor dem Grün des Altmarkufers, breit und behäbig, gewaltig.

Das Steintor grüßt herüber und dahinter die Burg- und Steinstraße und die Planken.

Ich muß an Theodor Körner denken. Von Havelberg kommend, zog er am 7. Mai 1813 mit der 4. Kompagnie der Lützower Jäger in Wittenberge ein. Im Hause Burgstraße 7 nahm er Quartier und wohnte dort bis zum 9. Mai. Später zog er mit seinen Jägern weiter, in die Altmark, nach Thüringen, wo er verwundet wurde. Nach seiner Genesung kam er in die Gegend von Büchen und fiel am 26. August im Gefecht bei Gadebusch.