Heft 
(1955) 5
Seite
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von Perleberg nach Groß-Buchholz begibt, hat, wenn er die Chaussee be­nutzt, zur linken Hand den Osthang der Weinberge, wenn er die Eisenbahn benutzt, zur rechten Hand den Westhang der Weinberge neben sich. Er sieht zwei ganz verschiedene Landschaftsbilder. Auf dem Osthang stockt trockener Kiefernwald, auf dem Westhang breitet sich der große Heide­teppich mit Birkengruppen und vereinzelten Kiefern aus. Man ist versucht zu glauben, daß die bescheidene Kammhöhe des Weinbergrückens sich als Klimascheide auswirkt. Der Westhang fängt die Niederschläge auf und begünstigt das Wachstum des Heidekrauts und der Birken, die West­einwanderer sind. Der Osthang, genauer der Südosthang, liegt im trockenen Regenschatten und empfängt erhöhte Sonneneinstrahlung; hier herrscht die Kiefer, der Osteinwanderer, und Heidekraut und Birken fehlen ganz. (Die kleine Birkengruppe an der Stelle der ehemaligen Gaststätte ist künstlich angepflanzt!) Bemerkenswert ist auch, daß sich hier die kahle Fläche des ehemaligen Segelfluggeländes ausschließlich mit Kiefern neu bestockt, obgleich doch die Westwinde den Anflug von Birken- und Heide­krautsamen aus nächster Nachbarschaft ermöglichen.

Die grundsätzliche Frage des Verhältnisses von Wald und Heide wird nun dadurch noch verwickelter, daß viele heutige Heiden, z. B. auch die große Lüneburger Heide, nachweislich Nachfolger ehemaliger Wälder sind, näm­lich da, wo durch menschliche Raubwirtschaft, wie übermäßige Holz- und Streu-Entnahme, Abplaggen der Bodendecke, ständigen Weidebetrieb u. a. ein natürliches Wiederaufkommen des Baumwuchses unmöglich wurde. Wir müssen uns mit der nüchternen Tatsache abfinden, daß vielen weithin leuchtenden und duftenden Heidefluren, die wir gefühlsmäßig als ur­tümliche Naturlandschaft empfinden, erst menschliche Mißwirtschaft in früheren Jahrhunderten in des Wortes eigenster Bedeutung den Boden bereitet hat.

Auf mancherlei Weise hat die Heide die Menschen in ihren Bann gezogen. Die Dichter, Musiker und Maler haben sie beseelt, besungen und im Bilde festgehalten. Den wandernden Naturfreund lockt ihre Einsamkeit und feierliche Ruhe, ihr stilles Leuchten, wenn der Sommer scheidet. Unschätz­bar ist sie dann auch dem Imker als wertvollste Bienenweide. In den echten Heidegegenden ist sie eine zwar dürftige, aber den größten Teil des Jahres nutzbare Schaf weide. Dort dient ihr Gezweig als Slallstreu, und ausgestochene Rasenstücke, die Plaggen, werden wie Stroh und Schilf zur Bedachung der Heidekaten verwendet. Die Notzeit nach dem verlore­nen Kriege hat das Abplaggen auch auf unseren Weinbergen vorübergehend wieder aufleben lassen. Aus den getrockneten Blüten wird heilkräftiger Tee bereitet, und in der tabaklosen, der schrecklichen Zeit der ersten Nachkriegs­jahre hat sie mancher Raucher in den Pfeifenkopf gekrümelt und mann­haft verpafft. Verbreitet war früher das Binden der Zweige zu kleinen Besen zum Reinigen von Küchengeschirr.

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