Heft 
(1955) 5
Seite
155
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verschaffen können. Soziale Niederhaltung durch geistige Niederhaltung, das entsprach dem Klassendünkel des privilegierten Standes. Das ist der Grund der politischen Unmündigkeit, Rechtlosigkeit und Rückständigkeit der bäuerlichen Volksschicht. Das ist der Grund, warum die politische Ge­schichte des Mittelalters von ihm, dem Bauern, wenig oder gar nicht redet. Da ist der Grund, warum es keinerlei Urkunden über die Gründung von Dörfern gibt. Die bäuerliche Person war nur Sachwert wie Hufe und Hof­wehr, höchstens aber Zielscheibe des Spottes wegen ihres geringen gesell­schaftlichen Ansehens. Auf ihre Schultern wurden alle Landesabgaben und Steuerlasten gewälzt: Getreidepächte, Hufenzins, Ferkelgeld, Kälber-, Gänse-, Lämmer-, Bienen- und Füllenzehnt, Jagdgelder, Rauchhühner, Hand- und Spanndienste, Reisefuhren. Sie betrugen für Neuhausen:

A. An Fuhren:

1. 104 unbestimmte Fuhren zum Weg- und Herbeischaffen aller Bedürf­nisse und Erzeugnisse des Gutes auf 1 bis 3 Meilen Entfernung.

2. 6 Fuhren zum Herbeiholen des Gesindes.

3. 78 unbestimmte Kutschfuhren.

4. 35 Getreidefuhren nach dem Vorwerk.

5. Fahren des Getreides nach der Mühle zu Brotkorn, Grütze, Graupen, Malz, Weizen und Mastkorn.

6. Fahren und Holen des Flachses von der Sprei.

B. An Botenreisen:

1. 104 kurze Botenreisen von 1 bis 2 Meilen Entfernung.

2. 9 lange Botenreisen von 9 Meilen Entfernung.

C. Arbeit:

1. Hocken des Roggens jeder Bauer 4 Tage.

2. Säen des Winterkorns jeder Bauer 4 Tage .

3. Spinnen des Flachses 6 weibliche Arbeitstage.

4. Tragen des ausgedroschenen Korns nach dem Kornboden.

D. Geld:

1. 5 Thaler Dienstgeld.

2. 1 Thaler, 3 Groschen Pachtgeld.

3. 12 Pachthühner.

Jede Freizügigkeit, Heirat, Erbfolge ohne gutsherrlichen Erlaubnisschein war untersagt. Keine Burg stand im Lande, ohne daß Ritter und Burg­gefolge den Überfluß dessen verzehrten, was der Bauer dem Land abrang. Im 15. Jahrhundert verliert er allmählich alle Nutzungsrechte an der Mark­genossenschaft, an Wald, Weide, Wasser undAcker. 1732 gehört dem Bauern lediglich dieUberwehr, d. h. das über die Hofwehr hinaus vorhandene Inventar (Hofwehr = Haus, Hufe, Saatkorn, Wagen, Pflüge, Pferde, Kühe). Mit allen Mitteln wird er erpreßt und rechtlos gemacht, um die ritterliche Besitzmacht zu stärken, berüchtigt vor allem durch das Bauern-