Heft 
(1957) 3
Seite
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frau richtet den Sumknieper, den es in den harten Wintermonaten an jedem zweiten Tag gibt, nicht erst kurz vor der Mahlzeit an. Sie stellt ihn, oft unter Hinzutun einer Handvoll Hafergrütze, rechtzeitig auf das Feuer, oder aber, was noch besser ist, in die heiße Ofenröhre. Sie vergißt dabei nicht, ein paar Scheiben Speck zuunterst in die Schüssel oder in den Schmor­tiegel zu tun, denn fett muß der Kohl sein. Hier auf der heißen Platte in der Röhre 'brutzelt nun unser Knieper stillvergnügt vor sich hin. Er durch­zieht mit seinem Duft den Raum, und wenns an die Mittagszeit geht, ist er ganz von Fett und Wohlgeschmack durchsaftet. Ja, es schadet gar nichts, wenn er dann unten ein ganz wenig angebraten ist. Das erhöht seinen Ge­schmack, genauso, wie das ja auch bei unserm anderen Prignitzer Winter­gericht, derlosen Wurst, der Fall ist.

Es ist Mittag. Meist ist das in unseren alten Prignitzdörfern um 11 Uhr der Fall. Die Männer stapfen in die Stube, die Frauen tragen auf und rücken zurecht, die Kinder kommen laut und "hungrig von der Schule. Alles sammelt sich an dem langen Tisch und nimmt den gewohnten Platz ein. Jetzt geht Mutter an die Röhre, nimmt ihre beiden Schürzenzipfel hoch und langt damit in das heiße Ofenloch, um mit Schürze und Händen fast liebevoll die dampfende und glühheiße Knieperschüssel zu umfassen und herauszuholen. Sie stellt sie mitten auf den Tisch. Vater öffnet vorsorglich den obersten Hosenhaken, alles greift zum Geschirr, und nun gehts los!

Wie man ihn ißt? Nur ganz heiß und nur mit Pellkartoffeln! Man hat einen tiefbauchigen Teller vor sich. Ein Dutzend der gut gedämpften und leicht geplatzten Pelltüffel, im Vorgenuß von jedem selbst bedächtig von der Hülle befreit, türmt sich bald in ihm. Dann schiebt man den Teller ran an die Knieperschüssel und deckt alles sorgfältig mit dem dampfenden Kohl zu. Zur Krönung dieses gewaltigen Hügels kommt dann, mit gutem Blick herausgeangelt aus dem Knieper, eine gewichtige Portion der fett­glänzenden Zugabe des edlen Borstenviehs obenhinauf. So! Das Ganze holt man sich dann wieder mundgerecht vor den Bauch, schöpft noch mal tief Luft und das Einfahren beginnt!

Es ist eine fast andächtige Stille um den Tisch. Nur dann und wann stöhnt einer vor Wohlbehagen. Die Bäuche runden, die Weste strammt sich. Sie sitzt bald ganz prall. Vater rülpst satt und zufrieden.Jung, sagt er,giw mi mol den Schluckbuddel her! Er füllt seinHalfpund-Glas. Auch was sonst noch an Mannslüd am Tische sitzt, gießt einen großen Klaren nach. Das mag der Knieper gern. Satt, richtig rundherum satt, geht man nach einer Weile genießenden Wohlbehagens vom Tisch. Mutter räumt ab.

Diese mittägliche Füllung des Pansens mit unserm Knieper gibt die er­forderlichen Energien für die weitere Tagesarbeit. Er gibt die Kraft, auch den festgetrampeltsten und gefülltesten Rinderstall zu leeren, oder wie unser Epos sagt:

He helpt biet Schopmess utbrengen.

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