Er gibt auch die nötigen Kalorien, um beim Dungstreuen draußen beim härtesten Ostwind erwärmt zu bleiben. Zwar haben diejenigen, die von unserm Surnknieper nichts wissen wollen, schon etwas recht, wenn sie meinen, er blähe stark. Aber was schadet das schon! Draußen ist soviel Platz. Und unserm guten Prignitzer geht’s ebenso wie dem derben bayrischen Bauern, den der Arzt fragte, ob er unter Blähungen zu leiden habe. Dessen verwunderte Antwort war: „Leiden? Dös g’freit mi!“ Diese naturhafte Lebensauffassung ist nun eben eine Voraussetzung für den rechten Genuß des Knieperkohls. Denn nicht umsonst steht das Wort „Knieper“ in seinem Namen. So ein bißchen Bauchkneifen mit seinen Auswirkungen gehört also schon dazu. Fataler wirkt sich das nur dann aus, wenn unsere Jungen und Mädel nach halbstündiger Mittagspause mit straff gefülltem Bauch wieder in den niedrigen Klassenraum der alten Dorfschule zurückkehren. Dann ist die zweite Halbzeit für den Lehrer kein reiner Genuß! Der Knieper rumort, und die schon im Kindesalter an naturhafte Lebensweise gewöhnte Jugend läßt ihren Gefühlen noch unbeschwerter freien Lauf als die Erwachsenen.
Doch das macht der Sympathie für unseren Knieper keinen Abbruch. Im Gegenteil, er hat soviel köstliche Eigenschaften und mundet dem, der an ihn gewöhnt ist und die nötigen Zutaten dazu hat, so hervorragend, daß man solche kleinen Schönheitsfehler gern mit in Kauf nimmt. Stecken doch neben den materiellen und kulinarischen Vorzügen auch noch so mancherlei ideelle Werte in ihm. Manche Briefe aus der Ferne beweisen, daß für einen alten Prignitzer der Surnknieper Inbegriff und Höhepunkt aller Heimatsehnsucht sein kann. Und über nahezu magische Kräfte verfügt unser Knieper. Er vermag Aufschlüsse zur charakterlichen Bewertung eines Menschen zu geben, und er kann sogar schicksalsbestimmend für ein ganzes menschliches Leben werden. Ein Beispiel sei hier erwähnt.
Am Ende des ersten Weltkrieges kam ein junger Schulamtskandidat in ein großes prignitzer Bauerndorf, um sich dort zur Bewerbung vorzustellen. Er ging zum Schulvorsteher. Dort saß man in der Bauernstube gerade beim Mittagessen rund um den großen Tisch. Auf diesem stand natürlich Surnknieper und was dazu gehört. Nach der Vorstellung und Begrüßung sagte der Hausvater: „Na, denn setten’s sick man ’n beten mit ran!“ Mit Rede und Gegenrede war es eine gute Mahlzeit, und der Kandidat, von jugendauf an ihn gewöhnt, tat auch dem Knieper die gebührende Ehre an. Als er dann nach ein paar Tagen die einstimmig beschlossene Zusage des Schulvorstandes erhielt und daraufhin sein Amt antrat, erfuhr er auch bald die Ursache dieser sonst seltenen Einstimmigkeit. Der Vorsteher hatte als sofort überzeugendes und durchschlagendes Argument seiner fürsprechenden Stellungnahme ins Feld geführt: „Surnknieper mag he. So wäd he woll to uns passen!“ — So war es denn auch, und diese Surnknieper-Freund- schaft verband durch Jahrzehnte dann Lehrer und Gemeinde.
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