Heft 
(1957) 7
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befinden, lag die sogenannte Vorburg oder das Vorwerk. Hier waren die Wirtschaftsgebäude untergebracht, die bis in die Nähe der Kirche reichten. Reste dieses Vorwerkes sind bis zum Jahre 1684 erhalten geblieben. Der Chronist berichtet, daß diese damals durch Feuer vernichtet wurden. Jahr­hunderte lang erfüllte die Burganlage ihren Zweck als befestigter Schlupf­winkel der Gänse. Mit der Erfindung des Schießpulvers und dem Übergang zu einer neuartigen Kriegsführung konnte sie den Besitzern aber keinen Schutz mehr bieten. Das Geschlecht der Gänse verließ die Burg und siedelte auf einen Wirtschaftshof auf der anderen Seite der Stepenitz über. Die Burg lag nun lange verlassen da und war dem Zerfall preisgegeben. Ein Brand zerstörte dann noch später wichtige Teile. Der Chronist Beckmann berichtet, daß im Jahre 1750 nur noch zwei Räume vorhanden waren, die benutzt werden konnten. Es wurden dort noch Gerichtsverhandlungen ab­gehalten. Auch der Bergfried zerfiel mehr und mehr und ragte bald nur hoch als Ruine in die Luft. Erst im Jahre 1890 fand man den Sinn dafür, diesen historischen Bau wieder auszubessern und damit zu einer schönen Sehenswürdigkeit unserer Stadt zu machen. Wie sehr die ganze Burg­anlage im Laufe der letzten Jahrhunderte zerfallen ist, merkt man an den großen Schuttmassen, die heute in ihrem Innern lagern. Sie bilden eine Decke von mindestens 5 Metern Tiefe, und dadurch sind der Burghof und die Räume im Erdgeschoß des Bauwerkes völlig zugeschüttet worden. Eine genaue Rekonstruktion der einzelnen Gebäude ist darum sehr schwierig. Hätte man beizeiten genügend historisches Interesse für die Putlitzer Burg aufgebracht, so wäre vieles vor dem Zerfall gerettet worden. Statt dessen duldete man, daß ein früherer Besitzer des Gutes Burghof viel Mauerwerk abfahren ließ, um die Steine zum Bau seiner Viehställe zu verwenden. Leider ist die Burg das einzige Bauwerk aus dem frühen Mittelalter, das wir auf unserm Rundgang besichtigen können. Auch aus dem 15. bis 17. Jahrhundert ist so gut wie nichts erhalten geblieben. Gewaltige Feuers­brünste, die unsere Stadt sechsmal in Schutt und Asche legten, haben alles vernichtet. Infolgedessen fehlen auch die alten Urkunden aus jener Zeit wenigstens so weit sie in Putlitz aufbewahrt wurden. Erst das 18. Jahr­hundert hat uns spärliche Spuren der damaligen Zeit hinterlassen. Wir finden sie in alten Häusern, die heute noch stehen. Wenn sie auch im Laufe von zwei Jahrhunderten oft renoviert wurden und dadurch die altertüm­liche Fassade verwischt worden ist, so künden Jahreszahlen, die im Balken­fachwerk eingeschnitzt sind, heute noch von der Zeit ihrer Entstehung. Wir gehen durch die Hauptstraße der Stadt und schauen auf das große Eckgebäude an der Westseite (heute Emst-Thälmann-Straße 42). Es wurde im Jahre 1706 erbaut und dürfte das älteste Haus des Ortes sein. Der damalige Besitzer betrieb eine Schankwirtschaft. Für Putlitz war es bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts die Zunftherberge, wo die Gewerke ihre regelmäßigen Zusammenkünfte durchführten. Ein anderes Gebäude am

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