Heft 
(1.1.2023) 115
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152 Fontane Blätter 115 Freie Formen Eine Fontane-Trouvaille. Der Sonderdruck im Fluchtgepäck. Georg Wolpert Was hat Platz in einem schmalen Fluchtgepäck? Zunächst natürlich die per­sönlichen Dokumente, dann einige Familienfotos, einzelne Briefe, Wäsche und Kleidung zum Wechseln, die aktuellen Medikamente und möglicher­weise einzelne Schmuckstücke. Sehr viel anders haben wohl die wenigen Notwendig- und Habseligkeiten auch nicht ausgesehen, die Elisabeth Fried­laender mitnehmen konnte, als sie im Jahr 1950 ihr Elternhaus in Schmiede­berg, das sich nun Kowary nannte, und damit auch ihre schlesische Heimat verlassen musste. 1 Sie war zu diesem Zeitpunkt 73 Jahre alt und nach dem Tod ihres Bruders im Jahr 1948 die letzte Überlebende ihrer Familie. Viel­leicht hat sie ja noch einen kleinen Stein aus dem elterlichen Garten oder aus dem Ufergeröll der Eglitz(nun Jedlica), wo sie als Kind gespielt hat, zwi­schen die anderen Sachen gesteckt, ein wehmütiger Versuch, eine leibhafti­ge Erinnerung mitzunehmen doch das wissen wir nicht. Was wir aber wissen, ist das Denkwürdige, dass Elisabeth Friedlaender in ihr schmales Fluchtgepäck auch 276 Briefe eingepackt hat, die nicht an sie gerichtet und die schon geschrieben worden waren, als sie noch ein kleines Mädchen und dann eine junge Frau gewesen war. Es sind die Briefe, welche ihr Vater, der Amtsrichter Dr. Georg Friedlaender, von Theodor Fontane empfangen hatte. Diese Briefe aus Fontanes letzten 15 Lebensjahren hat Eli­sabeth Friedlaender dem Göttinger Germanisten Professor Dr. Kurt Schrei­nert anvertraut, der sie dann im Jahr 1954 versehen mit einer Widmung an die inzwischen verstorbene Elisabeth Friedlaender publiziert 2 und damit wesentlich zu neuen Blicken auf Fontane und damit auch zu der Fontane­Renaissance der 50er-Jahre beigetragen hat. Doch neben Fontanes Briefen hat Elisabeth Friedlaender auch ein Heft, eingeschlagen in blaue Pappe, in ihr Fluchtgepäck gesteckt, das tatsächlich eine Besonderheit ist. Zwischen der schützenden Pappe und dem Heftum­schlag ist ein von Kurt Schreinert mit Schreibmaschine beschriebenes Zet­telchen montiert: