Heft 
(1.1.2024) 118
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»Ehr und Beschwer« Muhs 29 »Ehr und Beschwer«. Fontanes Dankschreiben an Anton von Werner für die Glückwünsche zu seinem 70. Geburtstag Rudolf Muhs »Es waren schöne, aber sehr anstrengende Tage«, sagte Fontane im Rück­blick auf den Trubel um seinen 70. Geburtstag am 30. Dezember 1889. 1 »De­putationen, Blumen, Gedichte, 400 Briefe und Telegramme«. 2 Allen Gratu­lanten schriftlich zu danken sollte fast den ganzen Januar in Anspruch nehmen. Was es ihn überdies an Briefmarken gekostet habe, dürfte»eine wahre Bereicherung der Staatseinnahmen« darstellen, scherzte der Dich­ter, als er sich gegen Ende des Monats daran machte, endlich auch Georg Friedlaender seinen Dank auszusprechen:»An Müller und Schultze habe ich 3 Wochen lang Briefe bis zur Erschlaffung geschrieben, ganz zuletzt kommen erst die Eigentlichen und unter den Eigentlichsten sind Sie.« 3 Anton von Werner(1843–1915) gehörte nicht zu den»Eigentlichen«, den engeren Vertrauten Fontanes, er war aber auch alles andere als ein beliebi­ger Müller oder Schultze. Sein Ansehen als Künstler und Kunstfunktionär stand damals im Zenit. Dass er sich herabgelassen hatte, Fontane zu gratu­lieren, war wohl in erster Linie der Stellung des Dichters im Berliner Kul­turleben geschuldet, weniger ihrer persönlichen Verbundenheit. Das fällige Dankschreiben wollte trotzdem sorgfältig überlegt sein. Es gab nämlich eine Vorgeschichte. Werners Name dürfte Fontane zuerst untergekommen sein, als der junge Maler Anfang der 1860er-Jahre mit Illustrationen zu Werken des badischen Dichters Victor Scheffel auf sich aufmerksam machte. Während des deutsch­französischen Krieges war er dann im Tross des Karlsruher Großherzogs mit allen führenden Persönlichkeiten im preußischen Hauptquartier be­kannt geworden und hatte in der Folge viele von ihnen gemalt, gipfelnd in seiner über Generationen hinweg bewusstseinsprägenden Darstellung der Kaiserproklamation vom 18. Januar 1871 im Spiegelsaal von Versailles. Seit­her in Berlin ansässig, war Werner rasch zu einem viel gefragten und ent­sprechend hoch bezahlten Künstler aufgestiegen. Bereits 1874 konnte er sich in der Potsdamer Straße 113, unweit von Fontanes im dritten Stock gelege­ner Mietwohnung, ein imposantes Haus bauen lassen.