Heft 
(1.1.2024) 118
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Alter im Recht Rathjen 61 Alter im Recht: Altersangaben in Fontanes Der Stechlin Charlotte Rathjen Angekündigt, proklamiert und immer wieder als solcher zitiert, wurde Der Stechlin als ein politischer Roman etikettiert. Zunächst schrieb Fontane am 21. Dezember 1895 in einem Brief an Paul Schlenther:»Ich bin bei zwei letz­ten Kapiteln eines kleinen politischen(!) Romans, den ich noch vor Weih­nachten beenden möchte.« 1 Ein halbes Jahr später wiederholte er diese Gat­tungsbezeichnung in einem Brief an Carl Robert Lessing, den Eigentümer der Vossischen Zeitung:»Im Winter habe ich einen politischen Roman ge­schrieben(Gegenüberstellung von Adel, wie er bei uns sein sollte und wie er ist). Dieser Roman heißt: Der Stechlin.«. 2 Das Werk ist tatsächlich von politischen Reflexionen, Allusionen und gesellschaftspolitischen Fragestel­lungen durchdrungen. Es versucht, die vielfältigen gesellschaftlichen Um­bruchsituationen und neuartigen Kräfteverhältnisse der Wilhelminischen Zeit einzufangen, wobei ein besonderes Augenmerk auf Fragen nach der Konstituierung und Legitimierung von Herrschaft illustriert am Adel und seinem Führungsanspruch bzw.-verlust liegt. In ausufernden Konversati­onsszenen wird mehr oder weniger das gesellschaftspolitische Leben und dessen Kippmomente auf der Schwelle zur Moderne verhandelt, konkret diskutiert und stellvertretend an dem altersgeschichteten Figurenensemb­le vorgeführt. Die Probleme, die die Veränderungen zum Ende des 19. Jahr­hunderts mit sich bringen, werden in umfangreichen dialogischen Szenen umkreist. Damit stellt sich das Politische des Romans subtil als Aushand­lungsprozess der tiefgreifenden Transformationsprozesse dar, die nahezu sämtliche Lebensbereiche betreffen. Ordnungsvorstellungen, Normen und Konventionen, insbesondere das Recht und seine spezifische Ordnungsleis­tung, bestimmen das gesellschaftskritische Themenspektrum des Romans und das handlungsarme Geschehen. Vor dem Hintergrund übergeordneter Verzeitlichungs- und Verrechtlichungsprozesse ist das Recht als Ordnungs­muster für das gesellschaftliche Zusammenleben besonders relevant. Der folgende Beitrag versteht sich als ein Annährungsversuch, der zunächst im Allgemeinen das Verhältnis von Recht und gesellschaftlicher Ordnung an-