166 Fontane Blätter 118 Informationen »Forum Junge Fontane Forschung« vom 4.–5. Juni 2024 an der Bergischen Universität Wuppertal. Ein kollaborativer Tagungsbericht Am 4. und 5. Juni 2024 fand an der Bergischen Universität Wuppertal das »Forum Junge Fontane Forschung« statt. Mit dem Veranstaltungsformat, das bereits 2019 auf Initiative der Theodor Fontane Gesellschaft ins Leben gerufen wurde, verbindet sich langfristig das Ziel, eine Plattform zu etablieren, die Nachwuchswissenschaftler:innen mit einem Abschluss- oder Dissertationsprojekt über Fontane oder die Fontane-Zeit in den Dialog bringt. Auf dem Workshop in Wuppertal wurden insgesamt acht Projekte aus unterschiedlichen Qualifikationsstufen vorgestellt, von Bachelor- und Masterarbeiten bis zu Dissertationsvorhaben. Um zu unterstreichen, dass die Veranstaltungsreihe nicht nur der Vernetzung dient, sondern junge Wissenschaftler:innen darüber hinaus bestärken möchte, sich in den wissenschaftlichen Diskurs einzubringen, dokumentieren die Teilnehmer:innen im Folgenden selbst die Themen und Ergebnisse ihrer Beiträge. Matthias Grüne, Wuppertal, Tagungsleitung Wenn Fortschritt in seine Schranken gewiesen wird – Untersuchungen zu den Frauenfiguren in Grete Minde und Effi Briest Der Vortrag basierte auf den Ergebnissen einer im Jahre 2021 entstandenen Bachelorarbeit zu Handlungsspielräumen der Frauenfiguren in Grete Minde und Effi Briest. Das grundlegende Interesse bestand darin, die Protagonistinnen dieser Texte hinsichtlich verschiedener Aspekte(Persönlichkeitsmerkmale, familiäre Situation, gesellschaftliche Einflüsse, vermeintliche Liebesbeziehungen) zu untersuchen und darüber die in den Erzählungen gestalteten sozialen Konflikte nachzuvollziehen. Die Betrachtung des Zusammenspiels des Individuums mit seinem sozialen Umfeld sollte Erkenntnisse darüber liefern, inwiefern den beiden Frauen selbst eine Schuld an ihrem Schicksal zugeschrieben wird beziehungsweise welchen Einfluss die Texte den gesellschaftlichen Voraussetzungen zumessen. Die Untersuchung konnte in beiden Fällen die Komplexität, mit der Fontane die Schuldfrage behandelt, herausarbeiten. So muss Grete sich zum Beispiel für den Brand von Tangermünde und Effi für die Affäre mit Crampas verantworten. Dennoch spielen bei beiden Frauen die sie umgebenden sozialen Faktoren eine maßgebliche Rolle, die auch als Auslöser für das jeweils eintretende Dilemma angesehen werden können. Der Kernkonflikt entsteht dadurch, dass die Wünsche, Lebens- und Rechtsvorstellungen der einzelnen Individuen von den sozialen Erwartungen abweichen. Beide betrachteten Texte führen eindrücklich vor Augen, dass besonders das weibliche Geschlecht lediglich verschwindend geringe Handlungsspielräume besitzt und oftmals unter den gesellschaftlichen Konventionen leidet. Die Diskrepanz zwischen dem eigenen Willen und dem Willen der Gesellschaft führt in der Regel zu einer erzwungenen Anpassung des Individuums, bei dem die von außen zugetragenen Werte jedoch nicht internalisiert werden und so zum Konflikt innerhalb des Individuums selbst führen. Dies zeigt sich in Effi Briest nicht nur an der Protagonistin, sondern auch an Figuren wie Innstetten oder Effis Eltern. Bei
Heft
(1.1.2024) 118
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166
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