160 Fontane Blätter 118 Rezensionen schließenden»Fazit und Ausblick«(S. 369–374) dann auch davon, dass im Mittelpunkt ihrer Untersuchung»die Frage« stehe,»welche Rolle die Detailbeschreibungen[Hervorhebung R.P.] in Theodor Fontanes erstem Berliner Roman ›L´Adultera‹ spielen«(S. 369). Eine zweite, rückblickend ebenfalls sinnvolle Präzisierung der Ausgangsfragestellung betrifft die Blickrichtung der Analyse. Bilden in der Einleitung noch die empirischen räumlichen Realien den Ausgangspunkt, so heißt es am Ende, dass die Detailschilderung »sich nicht auf die Simulation von Authentizität[Hervorhebung R.P.] beschränkt, sondern vielmehr eng auf das Handlungsgeschehen bezogen ist, dieses antizipiert, reflektiert und kommentiert«(S. 369). Im Folgenden ist dann konsequenterweise auch von»Realitätssimulation«(S. 370) die Rede. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Schellstede das, was zuvor meist nur an Einzelbeispielen festgemacht wurde, in verblüffender Quantität nachweist und den Befund der doppelten Funktion damit auf eine auch qualitativ neue Ebene hebt. Auch wenn man nicht jeder kleineren Analyse und Interpretation wird folgen wollen und auch die Terminologie an einigen Stellen noch etwas präziser sein könnte(so wird etwa nicht immer hinreichend zwischen ›sexuell‹ und ›erotisch‹ unterschieden und etwas zu oft ist von ›allgemein‹ bzw. ›im Allgemeinen‹ die Rede), stellt Schellstedes Dissertation ein umfassendes Kompendium der detailrealistischen Konstellationen und Szenarien in L´Adultera dar, das man über die fortlaufende Lektüre hinaus dank der kleinteiligen Gliederung auch bestens als Nachschlagewerk nutzen kann und dabei immer wieder Neues entdecken wird. Nicht zuletzt kann die Studie zu weiteren Forschungen anregen, denn die Frage, wie es denn mit der Detailpoetik in anderen Romanen Fontanes aussieht, liegt geradezu auf der Hand. Potenzial sieht Schellstede selbst für Irrungen, Wirrungen, was zu überprüfen wäre. Rolf Parr Georg Hermann: Die daheim blieben. Roman. Hrsg. u. mit einem Nachwort von Godela Weiss-Sussex. Wallstein Verlag: Göttingen 2023(Georg Hermann. Werke in Einzelbänden). 445 S. € 35,00 Es dauert nur wenige Seiten, bevor Georg Hermann in seinem nachgelassenen und jetzt erstmals veröffentlichten Roman Die daheim blieben auf Fontane Bezug nimmt. Vor ihrem Berliner Stammhaus in der Matthäikirchstraße treffen im März 1933 drei Angehörige einer weitverzweigten jüdischen Familie aufeinander, wo an dem betreffenden Tag das 75. Firmenjubiläum der Papiergroßhandlung Heinrich Simon Söhne sowie der 69. Geburtstag und 40. Hochzeitstag des Seniorchefs begangen werden soll. In ihre zwanglose Begrüßung mischt sich, ausgehend von einem vorbeimar-
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(1.1.2024) 118
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160
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