Unwiederbringlich.
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Wenn man alt wird, ist man nur noch Beigabe. Jung sein, heißt selbstsüchtig sein. Aber eigentlich ist es später auch nicht besser. Mein erster Gedanke war, als ich den Alten sah, da kommt unsere Whistpartie. Schwarzkoppen ist freilich nicht für Spiel, aber Gott sei Dank auch nicht dagegen, und würde, wenn er Katholik wäre, wahrscheinlich von einer „läßlichen Sünde" sprechen. Und das sind mir die liebsten. Im klebrigen bewundere ich diesen Pudel, wie heißt er doch?"
„Schnuck," sagte Asta.
„Richtig, Schnuck; eigentlich mehr ein Name für eine Lustspielfigur. Er war schon dreimal oben und immer wieder zurück. Offenbar freut er sich ganz unbändig. Und nun sage, Asta, worauf freut er sich, aus Dich, oder aus die Kunststücke, die er machen darf, oder auf den Zucker, den er dafür kriegt?"
Zwei Stunden später war es still unter der Säulenhalle; der Abend war hereingebrochen, und nur am Horizont lag noch ein rother Widerschein. Alles hatte sich in das Wohn- und Empfangszimmer zurückgezogen, das, in gleicher Größe wie der Eßsaal, unmittelbar hinter diesem lag und den Blick zunächst auf einen wohlgepslegten, mit Treibhäusern besetzten Vorgarten hatte, der weiterhin in große, bergabsteigende Parkanlagen überging.
Das Wohn- und Empfangszimmer war reich möblirt und hatte doch Raum genug zu freier Bewegung. Neben dem Flügel, in der geschütztesten Ecke, stand ein großer runder Tisch, mit einer Moderateurlampe daraus. Hier saßen die Gräfin und ihre Freundin, die Dobschütz, die vorlesen sollte, während Asta und Elisabeth dicht neben ihnen auf zwei Fußbänken Platz genommen hatten und abwechselnd leise plauderten oder den Pudel zu dessen eigener sichtlicher Freude Kunststücke machen ließen. Aber zuletzt wurde er müde von der Anstrengung und schlug, weil er die Balance nicht mehr halten konnte, mit einer seiner Pfoten auf die Tasten des offenstehenden Flügels.
„Ach, nun spielt er auch noch," lachte Asta. „Ich glaube, wenn er will, spielt Schnuck besser als ich; er ist so geschickt, und Tante Julie wird es nicht bestreiten. Vorhin sollt' ich spielen und sogar singen, Onkel Arne bestand daraus, aber ich hütete mich Wohl. Ich habe bloß Lust und gar kein Talent. Hast Du was mitgebracht, Elisabeth. Ihr habt ja immer was Neues, und Du hattest ja auch eine Mappe am Arm, als Du kamst. Laß uns sehen."
So plauderten die Mädchen weiter. In der schräg gegenüber gelegenen Zimmerecke aber saßen die vier Herren beim Whist, Arne wie gewöhnlich mit dem alten Petersen scheltend, daß er noch so langsam spiele, wie zur Zeit des Wiener Congresses.
„Ja," lachte Petersen, „wie zur Zeit des Wiener Congresses; da spielte man langsam, das galt für vornehm, und muß ich Ihnen nachher eine Geschichte davon erzählen, eine Geschichte, die wenig bekannt ist, und die, soviel ich weiß, von Thorwaldsen stammt, der sie von Wilhelm von Humboldt hörte . . ."
„Von Alexander," sagte Arne.
„Nein, erlauben Sie, Arne, von Wilhelm von Humboldt. Wilhelm war überhaupt . . ."