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Deutsche Rundschau.
„Gewiß darf sie. Aber wer wird begleiten?"
„Ich. Es ist sehr leicht, und wir haben es eben durchgenommen. Ich denke, es wird gehen. Und wenn ich stecken bleibe, so ist es kein Unglück."
Und damit ging sie bis an den Flügel zurück, während die große Mittelthür auf blieb. Das Notenblatt war schon aufgeschlagen, die Lichter brannten, und Beide begannen. Aber das Gefürchtete geschah, Begleitung und Stimme gingen nicht recht zusammen, und nun lachten sie halb lustig und halb verlegen. Gleich danach aber versuchten sie's zum zweiten Male, und nun klang Elisabeth's noch halb kindliche Stimme hell und klar durch beide Räume hin. Alles schwieg und lauschte. Besonders die Gräfin schien ergriffen, und als die letzte Strophe gesungen war, erhob sie sich und schritt auf den Flügel zu. Hier nahm sie das noch aufgeschlagen auf dem Notenpult stehende Lied und zog sich ohne weitere Verabschiedung aus der Gesellschaft zurück. Es fiel nicht allzu sehr auf, da Jeder ihr sensitives Wesen kannte. Holk begnügte sich, Elisabeth zu fragen, von wem der Text sei?
„Von Waiblinger, einem Dichter, den ich bis dahin nicht kannte."
„Ich auch nicht," sagte Holk. „Und die Ueberschrift?"
„Der Kirchhof."
„Drum auch."
Eine Viertelstunde später fuhr der Arnewieker Wagen vor, und Arne bestand darauf, daß Petersen und Elisabeth bis vor das Holkebyer Pfarrhaus mitfahren müßten, Schnuck Werde sich nebenher schon durchschlagen. Nach einigem Parlamen- tiren wurde das Anerbieten auch angenommen, Arne nahm den Rücksitz, und Elisabeth, weil sie gerne mit dem Kutscher plauderte, kletterte aus den Bock hinauf. Und wirklich, kaum oben, so ließ sie sich auch schon des Breiteren von seiner kranken Frau erzählen, und von der „Sympathie", die mal wieder besser geholfen als der Doctor, der überhaupt bloß immer was verschreibe und gar nicht ordentlich nachsähe, wo's eigentlich säße, und wie's mit der Milz stände. Denn in der Milz säß' es.
Natürlich war dies Gespräch nur von kurzer Dauer, denn keine zehn Minuten, so hielt man auch schon vor der Pfarre. Schnuck gab seiner Freude, wieder daheim zu sein, lebhaften Ausdruck, und Arne setzte sich zu Schwarzkoppen in den Fond. Und nun fuhren Beide, nachdem noch ein paar Dankes- und Abschiedsworte gewechselt worden waren, auf Arnewiek zu.
Fünftes Capitel.
Die Fahrt ging zwischen hohen Knicks hin, das Meer dicht zur Linken; aber man hörte es nur, ein niedriger Dünenzug hinderte die Aussicht darauf. Arne wie Schwarzkoppen hatten die Füße in Plaids und Decken geschlagen, denn es war nach dem schönen warmen Tage herbstlich frisch geworden, frischer, als dem September zukam. Aber das steigerte nur die Lebendigkeit ihres Gesprächs, das natürlich dem Abend galt den man eben verlebt hatte.