Unwiederbringlich.
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das hat Gott in seiner Gnade so tief nicht sinken lassen, ich meine das Treiben drüben, drüben wo doch unsere Obrigkeit sitzt, der wir gehorchen sollen und der zu gehorchen ich auch Willens bin, so lange Recht Recht bleibt. Aber daß ich mich an dem Treiben drüben erfreuen sollte, das kannst Du nicht fordern, das ist unmöglich. In Kopenhagen . .
„Dein alter Widerwille. Was hast Du nur dagegen?"
„In Kopenhagen ist Alles von dieser Welt, Alles Genuß und Sinnendienst und Rausch, und das gibt keine Kraft. Die Kraft ist bei denen, die nüchtern sind und sich bezwingen. Sage selbst, ist das noch ein Hof, ein Königthum da drüben? Das Königthum, so lang es das bleibt, was es sein soll, hat etwas Zwingendes, dem das Herz freudig Folge leistet und dem zu Liebe man Gut und Blut und Leib und Leben daran gibt. Aber ein König, der nur groß ist in Ehescheidungen und sich um Vorstadtspossen und Danziger Goldwasser mehr kümmert, als um Land und Recht, der hat keine Kraft und gibt keine Kraft und wird denen unterliegen, die diese Kraft haben."
„Und wir werden preußisch werden, und eine Pickelhaube wird aus eine Stange gesteckt werden wie Geßler's Hut, und wir werden davor niederknien und anbeten."
„Was Gott verhüte. Deutsch, aber nicht preußisch, so soll es sein. Ich bin gut schleswig-holsteinisch allewege, worauf ich die Herren bitte, mit mir anzustoßen. Auch Du, Helmuth, wenn Dich Dein Kopenhagener Kammerherrnschlüssel nicht daran hindert. Und sehen Sie nur, Schwarzkoppen, wie da der Mond heraufsteigt, als woll' er Alles in Frieden besiegeln. Ja, in Frieden; das ist das Beste. Dieser Glaube hat mich von Kindheit an begleitet. Schon mein Vater Pflegte zu sagen: man ist nicht bloß unter einem bestimmten Stern geboren, sondern in dem Himmelsbuche, darin unsere Namen eingezeichnet stehen, steht auch immer noch ein besonderes Zeichen neben unserem Namen, Epheu, Lorbeer, Palme . . Neben dem meinigen, hoff' ich, steht die Palme."
Der alte Petersen nahm ihre Hand und küßte sie: „Ja, Christine. Selig sind die Friedfertigen."
Es war das so ruhig hingesprochen, ohne jede Absicht, das Herz der Gräfin tiefer berühren zu wollen. Und doch geschah es. Sie hatte sich ihres Friedens beinah gerühmt oder doch wenigstens eine feste Hoffnung auf ihn ausgesprochen und empfand im selben Augenblicke, wo der alte Petersen ihr diesen Frieden fast wie zusicherte, daß sie desselben entbehre. Trotz des besten Mannes, der sie liebte, den sie wieder liebte, stand sie nicht in dem Frieden, nach dem sie sich sehnte. Trotz aller Liebe, — seine leichtlebige Natur und ihre melancholische, sie stimmten nicht recht mehr zu einander, was ihr diese letzte Zeit, trotz alles Ankämpsens dagegen, mehr als einmal und leider in immer wachsendem Grade gezeigt hatte. So fanden denn Petersens wohlgemeinte Worte bei Niemandem ein rechtes Echo, vielmehr blickte Jeder schweigend vor sich hin, und nur Arne wandte sich die Tafel hinunter und sah durch die offenstehende hohe Glasthür auf das Meer hinaus, das im Silberschimmer dalag.
Und in diesem Augenblicke voll Bedrückung und Schwüle trat Asta aus dem Nebenzimmer an den Tisch heran und flüsterte der Mutter zu: „Elisabeth will Etwas singen. Darf sie?"
Deutschs Rundschau. XVII. 4 . 2