Heft 
(1891) 66
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Deutsche Rundschau.

Und nun kam Pfingsten heran, und der Tag zur Beziehung des neuen Schlosses war da. Der Garten am Rückabhange der Düne zeigte sich freilich nur halb bepflanzt, und überhaupt war Vieles erst im Werden. Aber eines war doch fertig geworden: die schmale, säulenumstellte Front nach dem Meere zu. Hier Waren schon Bosquets und Blumenrondeels, und weiter hin, wo sich die Düne zu senken begann, stieg eine Treppenterrasse zum Strande hinunter und setzte sich unten in einer Stegbrücke fort, die, weit ins Meer hinaus gebaut, zugleich als Anlegestelle für die zwischen Glücksburg und Kopenhagen fahrenden Dampfer dienen sollte.

Christine war voller Bewunderung und Freude, weit über ihr eigenes Er­warten hinaus, und als sie, nach einem Umgang um das Haus, das Flachdach erstiegen hatte, vergaß sie angesichts des sich vor ihr ausbreitenden herrlichen Panoramas Alles, was sich auch nach der vorjährigen Aussöhnung mit dem Neubau noch immer wieder von Sorgen und Ahnungen in ihrer Seele geregt hatte; ja, sie rief die Kinder, die noch unten an der Terrasse standen, herbei, daß sie mit theilnehmen möchten an ihrer Freude. Holk sah ihre tiefe Bewegung und wollte sprechen und ihr danken. Sie kam ihm aber zuvor und sagte:

Bald ist es ein Jahr nun, Helmuth, daß wir zuletzt hier aus der Düne standen und Du mich fragtest, ob ich hier glücklich sein wolle. Ich schwieg damals ..."

Und heute?"

Heute sag' ich ja."

Zweites Capitel.

So schloß der Tag, an dem die Gräfin in das neue Schloß einzog. Einige Wochen später war auch eine Freundin aus den zurückliegenden Gnadenfreier Pensionstagen her auf Holkenäs eingetroffen, Julie von Tobschütz, ein armes Fräulein, bei deren Einladung zunächst nur an einen kurzen Sommerbesuch ge­dacht worden war. Bald aber regte sich der Wunsch, das Fräulein als Gesell­schafterin, Freundin und Lehrerin im Hause verbleiben zu sehen, ein Wunsch, den Holk theilte, weil ihn Christinens Einsamkeit mitunter bedrückte. So blieb denn die Dobschütz und übernahm den Unterricht Asta's und Axel's, der beiden Kinder des Hauses. Asta ward ihr auch weiterhin anvertraut. Axel aber wechselte mit dem Unterrichte, als Candidat Strehlke ins Haus kam.

Das Alles lag jetzt sieben Jahre zurück, Graf und Gräfin hatten sich eingewohnt und dieglücklichen Tage", die man dort oben leben wollte, man hatte sie wirklich gelebt. Die herzlichste Neigung, die Beide vor einer Reihe von Jahren zusammengeführt hatte, bestand fort, und wenn es namentlich in Er- ziehungs- und religiösen Fragen auch gelegentlich zu Differenzen kam, so waren sie doch nicht angethan, den Frieden des Hauses ernstlich zu gefährden. An solchen Differenzen war nun freilich neuerdings, feit die Kinder herangewachsen, kein Mangel gewesen, was bei der Verschiedenheit der Charaktere von Graf und Gräfin nicht Wunder nehmen konnte. Holk, so gut und vortrefflich er war, war doch nur durchschnittsmäßig ausgestattet und stand hinter seiner Frau, die sich höherer Eigenschaften erfreute, um ein Beträchtliches zurück. Darüber konnte