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Deutsche Rundschau.
Paris, Dresden, München und Wien (um die nächsterreichbaren zu nennen) bieten immer nur Zusammenstellungen zufällig sich aneinander reihender Stücke. Während es beim Unterricht auf den gesammten Thätigkeitsumfang der ersten Meister ankommt, können auch von jenen Städten jede für sich nicht bieten, was allen zusammen gehört, des Besitzes der spanischen und italienischen Museen nicht zu gedenken. Dagegen leuchten bei uns wie aus all jenen Museen die Werke der ausgezeichneten Meister zweiten Ranges unverhältnißmäßig hervor und verwirren den Anfänger. In höchstem Grade ist dies in Berlin der Fall, wo die Meister zweiten Ranges das Wort führen. Entscheidenden Werth für den Unterricht haben nur die Kunstwerke, welche den Betrachtenden um eine innere Erfahrung reicher machen. Das Vorwalten des vorzüglichen Mittelgutes ist überhaupt heute zu bedauern: auf dem Gebiete der Phantasieschöpfung ist es besonders schädlich. Denn nur die Meister ersten Ranges sind Schöpfer wirklicher Neuheiten und wo diese Urtypen fehlen, wächst bloßen Nachahmungen der Rang originaler Schöpfungen fälschlich zu. Werden die großen Meister ersten Ranges nun gar dem Publicum in Stücken vorgeführt, die zweifelhaft find oder ihrer Würde nicht entsprechen, so wird dies Mißverhältniß zu einer wahren Trübsal.
VIII.
Das Museum für vaterländische Kunstgeschichte.
Die unbeschränkte Zulassung des großen Publicums zu den äußerst kostbaren Schätzen unserer Museen, entspricht der Absicht, durch den Verkehr mit den edelsten Erzeugnissen der bildenden Kunst das Volk zu veredeln. Von diesem Gesichtspunkte ging der Prinz - Consort für England einst aus, und in Deutschland, vor nun dreißig Jahren, wurde zur Nachfolge aufgefordert. Allein was heute bei uns geschieht, gliche etwa dem Beginnen, Goethe und Schiller dadurch dem Volke näher zu bringen, daß man Jedem die Schätze des Goethe- und Schiller-Archives in die Hände gäbe.
Wir bedürfen Museen für die Belehrung des Volkes. Besonders aber für Studienzwecke. Der Inhalt der dieser Aufgabe geweihten Museen darf aber nicht dem Zufall überlassen bleiben, der Einiges erreichbar macht, das Meiste aber als unerreichbar versagt. Ein Museum für Lehr- und Lernzwecke muß durchaus anders beschaffen sein, als eines das der Aufbewahrung von Seltenheiten dient.
Ich spreche noch einmal aus, daß es sich nicht um Forderungen hier handelt, welche angriffsweise von mir gestellt werden, sondern um Vorschläge, die Jemand macht, welcher vom Director der Gemäldegalerie öffentlich darum ersucht worden ist. Ich würde um so mehr gezögert haben, öffentlich zu reden, weil ich weiß, wie ungemein beschränkt die zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten der Museumsgebäude sind, und wie anstrengend der Dienst der llnterbeamten ist, welche die zuströmenden, sür den Besuch dieser Räume geistig durchaus unvorbereiteten, ihrem gesellschaftlichen Auftreten nach sogar bedenklichen Besucher der mit so kostbarem Materiale erfüllten Säle und Kammern zu überwachen haben. Bei Weitem die größte Anzahl dieser kostbaren Gemälde sollten entweder in anders beschaffenen oder in verschlossenen Räumen stehen, wo nur der sie betrachtete, der sich vorher legiiimirt hätte. Die Zulassung sollte nicht mit einem Eintrittsgelde erkauft, Wohl aber von einer Meldung abhängig gemacht werden, welche eine gewisse Garantie sür die Zwecke der Besucher gewährt.