Heft 
(1894) 81
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Deutsche Rundschau.

Hochparterre des Seitenflügels hinaufführten. Beide, Mutter und Tochter, waren fleißig bei der Arbeit, die der Herstellung eines aus Einzelquadraten zusammenzusetzenden Altarteppichs galt; ungezählte Wollsträhnen und Seiden­docken lagen auf einem großen, runden Tisch bunt durcheinander, dazwischen, noch vom Lunch her, ein paar Dessertteller und eine mit großen, schönen Stachelbeeren gefüllte Majolikaschale. Rasch und sicher ging die Wollnadel der Damen hin und her, aber während die Mutter kein Auge von der Arbeit ließ, legte die Tochter, die den Rufnamen Esfi führte, von Zeit zu Zeit die Nadel nieder und erhob sich, um unter allerlei kunstgerechten Beugungen und Streckungen den ganzen Kursus der Heil- und Zimmerghmnastik durchzumachen. Es war ersichtlich, daß sie sich diesen absichtlich ein wenig ins Komische ge­zogenen Hebungen mit ganz besonderer Liebe hingab, und wenn sie dann so dastand und langsam die Arme hebend, die Handflächen hoch über dem Kops zusammenlegte, so sah auch Wohl die Mama von ihrer Handarbeit aus, aber immer nur flüchtig und verstohlen, weil sie nicht zeigen wollte, wie entzückend sie ihr eigenes Kind finde, zu welcher Regung mütterlichen Stolzes sie voll­berechtigt war. Efsi trug ein blau und weiß gestreiftes, halb kittelartiges Leinwandkleid, dem erst ein fest znsammengezogener, broncefarbener Ledergürtel die Taille gab; der Hals war frei, und über Schulter und Nacken siel ein breiter Matrosenkragen. In Allem, was sie that, paarte sich Uebermuth und Grazie, während ihre lachenden braunen Augen eine große, natürliche Klug­heit und viel Lebenslust und Herzensgüte verriethen. Man nannte sie die Kleine", was sie sich nur gefallen lassen mußte, weil die schöne, schlanke Mama noch um eine Hand breit höher war.

Eben hatte sich Efsi wieder erhoben, um abwechselnd nach links und rechts ihre turnerischen Drehungen zu machen, als die von ihrer Stickerei gerade wieder ausblickende Mama ihr zuries:Efsi, eigentlich hättest Du doch Wohl Kunstreiterin werden müssen. Immer am Trapez, immer Tochter der Luft. Ich glaube beinah, daß Du so 'was möchtest."

Vielleicht, Mama. Aber wenn es so wäre, wer wäre schuld? Von wem Hab' ich es? Doch nur von Dir. Oder meinst Du von Papa? Da mußt Du nun selber lachen. Und dann, warum steckst Du mich in diesen Hänger, in diesen Jungenskittel? Mitunter denk' ich, ich komme noch wieder in kurze Kleider. Und wenn ich die erst wieder habe, dann knix' ich auch Wieder wie ein Backfisch, und wenn dann die Rathenower herüber kommen, setze ich mich aus Oberst Goetze's Schoß und reite hopp, hopp. Warum auch nicht? Dreiviertel ist er Onkel und nur ein Viertel Courmacher. Du bist schuld. Warum kriege ich keine Staatskleider? Warum machst Du keine Dame aus mir?"

Möchtest Du's?"

Nein." Und dabei lief sie auf die Mama zu und umarmte sie stürmisch und küßte sie.

Nicht so wild, Efsi, nicht so leidenschaftlich. Ich beunruhige mich immer, Wenn ich Dich so sehe . . ." Und die Mama schien ernstlich Willens, in Aeußerung ihrer Sorgen und Aengste sortzufahren. Aber sie kam reicht Weit