Heft 
(1894) 81
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Effi. Briest.

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damit, Weil in eben diesem Augenblicke drei junge Mädchen aus der kleinen, in der Kirchhofsmauer angebrachten Eisenthür in den Garten eintraten und einen Kiesweg entlang auf das Rondeel und die Sonnenuhr zuschritten. Alte Drei grüßten mit ihren Sonnenschirmen zu Effi herüber und eilten dann auf Frau von Briest zu, um dieser die Hand zu küssen. Diese that rasch ein paar Fragen und lud dann die Mädchen ein, ihnen oder doch wenigstens Essi auf eine halbe Stunde Gesellschaft zu leisten,ich habe ohnehin noch zu thun, und junges Volk ist am liebsten unter sich. Gehabt Euch Wohl." Und dabei stieg sie die vom Garten in den Seitenflügel führende Steintreppe hinauf.

Und da war nun die Jugend wirklich allein.

Zwei der jungen Mädchen kleine, rundliche Persönchen, zu deren krausem, rothblondem Haar ihre Sommersprossen und ihre gute Laune ganz vorzüglich paßten waren Töchter des auf Hansa, Skandinavien und Fritz Reuter ein­geschworenen Cantors Jahnke, der denn auch, unter Anlehnung an seinen mecklenburgischen Landsmann und Lieblingsdichter und nach dem Vorbilde von Minig und Lining, seinen eigenen Zwillingen die Namen Bertha und Hertha gegeben hatte. Die dritte junge Dame war Hulda Niemeyer, Pastor Nie- meyer's einziges Kind; sie war damenhafter als die beiden anderen, dafür aber langweilig und eingebildet, eine lymphatische Blondine, mit etwas vor­springenden, blöden Augen, die trotzdem beständig nach 'was zu suchen schienen, weshalb denn auch Klitzing von den Husaren gesagt hatte:Sieht sie nicht aus, als erwarte sie jeden Augenblick den Engel Gabriel?" Effi fand, daß der etwas kritische Klitzing nur zu sehr recht habe, vermied es aber trotzdem, einen Unterschied zwischen den drei Freundinnen zu machen. Am wenigsten war ihr in diesem Augenblicke danach zu Sinn, und während sie die Arme aus den Tisch stemmte, sagte sie:Diese langweilige Stickerei. Gott sei Dank, daß Ihr da seid."

Aber Deine Mama haben wir vertrieben," sagte Hulda.

Nicht doch. Wie sie Euch schon sagte, sie wäre doch gegangen; sie er­wartet nämlich Besuch, einen alten Freund aus ihren Mädchentagen her, von dem ich Euch nachher erzählen muß, eine Liebesgeschichte mit Held und Heldin, und zuletzt mit Entsagung. Ihr werdet Augen machen und Euch Wundern. Uebrigens habe ich Mamas alten Freund schon drüben in Schwantikow ge­sehen; er ist Landrath, gute Figur und sehr männlich."

Das ist die Hauptsache," sagte Hertha.

Freilich ist das die Hauptsache, ,Weiber weiblich, Männer männlich' das ist, wie Ihr wißt, einer von Papas Lieblingssätzen. Und nun helft mir erst Ordnung schassen auf dem Tisch hier, sonst gibt es wieder eine Strafpredigt."

Im Nu waren die Docken in den Korb gepackt, und als Alle wieder saßen, sagte Hulda:Nun aber, Effi, nun ist es Zeit, nun die Liebesgeschichte mit Entsagung. Oder ist es nicht so schlimm?"

Eine Geschichte mit Entsagung ist nie schlimm. Aber ehe Hertha nicht von den Stachelbeeren genommen, eh' kann ich nicht anfangen sie läßt ja kein Auge davon. Uebrigens nimm so viel Du willst, wir können ja hinter­her neue pflücken; nur wirf die Schalen weit weg oder noch besser, lege

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