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Deutsche Rundschau.
Stellung muß kalt sein. Woran scheitert man denn im Leben überhaupt? Immer nur an der Wärme." Der noch unverheirathete, aber Wohl eben deshalb zum vierten Male in einem „Verhältniß" stehende Würdenträger, an den sich diese Worte gerichtet hatten, stimmte selbstverständlich zu. „Nur zu wahr, lieber Freund," sagte er. „Zu viel Wärme! . . . ganz vorzüglich . . . Uebrigens muß ich Ihnen nachher eine Geschichte erzählen."
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Der Tag nach der Hochzeit war ein Heller Octobertag. Die Morgensonne blinkte; trotzdem war es schon herbstlich srisch, und Briest, der eben gemeinschaftlich mit seiner Frau das Frühstück genommen, erhob sich von seinem Platz und stellte sich, beide Hände auf dem Rücken, gegen das mehr und mehr verglimmende Kaminfeuer. Frau von Briest, eine Handarbeit in Händen, rückte gleichfalls näher an den Kamin und sagte zu Wilke, der gerade eintrat, um den Frühstückstisch abzuräumen: „Und nun, Wilke, wenn Sie drin im Saal, aber das geht vor, Alles in Ordnung haben, dann sorgen Sie, daß die Torten nach drüben kommen, die Nußtorte zu Pastors und die Schüssel mit kleinen Kuchen zu Jahnke's. Und nehmen Sie sich mit den Gläsern in Acht. Ich meine die dünn geschliffenen."
Briest war schon bei der dritten Cigarette, sah sehr Wohl aus und erklärte, „nichts bekomme einem so gut wie eine Hochzeit, natürlich die eigene ausgenommen."
„Ich weiß nicht, Briest, wie Du zu solcher Bemerkung kommst. Mir War ganz neu, daß Du darunter gelitten haben willst. Ich Wüßte auch nicht warum."
„Luise, Du bist eine Spielverderberin. Aber ich nehme nichts übel, auch nicht einmal so 'was. Im Uebrigen, was wollen wir von uns sprechen, die wir nicht einmal eine Hochzeitsreise gemacht haben. Dein Vater war dagegen. Aber Effi macht nun eine Hochzeitsreise. Beneidenswerth. Mit dem Zehn- Uhr-Zug ab. Sie müssen jetzt schon bei Regensburg sein, und ich nehme an, daß er ihr — selbstverständlich ohne auszusteigen — die Hauptkunstschätze der Walhalla herzahlt. Jnnstetten ist ein vorzüglicher Kerl, aber er hat so 'was von einem Kunstfex, und Effi, Gott, unsere arme Effi, ist ein Naturkind. Ich fürchte, daß er sie mit seinem Kunstenthusiasmus etwas quälen wird."
„Jeder quält seine Frau. Und Kunstenthusiasmus ist noch lange nicht das Schlimmste."
„Nein, gewiß nicht; jedenfalls wollen wir darüber nicht streiten; es ist ein weites Feld. Und dann sind auch die Menschen so verschieden. Du, nun ja. Du hättest dazu getaugt. Ueberhaupt hättest Du besser zu Jnnstetten gepaßt als Effi. Schade, nun ist es zu spät."
„Ueberaus galant, abgesehen davon, daß es nicht paßt. Unter allen Umständen aber, was gewesen ist, ist gewesen. Jetzt ist er mein Schwiegersohn, und es kann zu nichts führen, immer auf Jugendlichkeiten zurückzuweisen."
„Ich habe Dich nur in eine animirte Stimmung bringen wollen."
„Sehr gütig. Uebrigens nicht nöthig. Ich bin in animirter Stimmung."
„Und auch in guter?"