Heft 
(1894) 81
Seite
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Deutsche Rundschau.

Weise durch andere Dinge, welche außerhalb des Rahmens seiner Absichten liegen, abgelenkt. So kommt es, daß er die Wildniß immer mehr lieb gewinnt und die Sehnsucht nach der Heimath, welche ihn im Ansang manchmal beschlichen hat, zuletzt ganz schwindet. Kann der Forscher dem Hange nach dem Leben in un- cultivirten Ländern ganz und gar nachgeben, so laust er Gesahr, geradezu ein Feind der Cultur und Civilisation zu werden; er wird sie dann zu meiden suchen, wie wir es bei Emin Pascha sahen; oder es kann sogar Vorkommen, daß ein geistig hochbegabter Mann, wie Bonpland, der Gefährte Alexander von Humboldt's, in der Wildniß bis ans Lebensende weilend, in vollständiger Verwilderung untergeht.

Die meisten Reisenden kommen schließlich aus dem Standpunkt an, gewisser­maßen eine Abneigung gegen die Gesellschaft eines Weißen in sich zu entdecken, denn jede Rücksichtnahme, selbst die geringste erscheint dem als lästiger Zwang, der nicht etwa das Glück hat, wie der Verfasser, einen wirklichen Freund in seinem Wandergesellen zu finden. Leider ist dies nur höchst selten der Fall. Die directe Ursache für die Unverträglichkeit ist, daß man im Uebermaß persönlicher Freiheit alle Rücksichten gegen den Weißen Kameraden bei Seite läßt und in zweiter Linie eine ins Ungeheuerliche gesteigerte nervöse Reizbar­keit. Diese wird bewirkt durch die massenhaften seltsamen Eindrücke, durch die ewige, oft quälende Sorge für die Expeditionsangelegenheiten, durch die zahllosen Enttäuschungen und den AergerU Die Geduld des Reisenden wird oft genug in gradezu übermenschlicher Weise auf die Probe gestellt, und zuletzt kommt hinzu die Wirkung des Klimas, welches die Nerven neben körperlicher Anstrengung, durch Krankheit und ungenügende Ernährung, außerordentlich reizt.

Man sollte meinen, daß unter solchen Umständen besonders Eines fühl­bar wäre: nämlich der Mangel an Aerzten. Aber dem ist nicht so. Man ver­traut vollkommen auf die Widerstandsfähigkeit seines Körpers, ist meistens voller Hoffnung, und naht wirklich einmal ernstliche Gefahr, so sagt man sich, daß man dies Alles vorausgewußt und schon bei Antritt der Reise sich mit dem Gedanken vertraut gemacht habe, sein Leben in die Schanze zu schlagen. Im Allgemeinen muß freilich eingestanden werden, daß in Wirklichkeit die unangenehmen Eindrücke auf solchen Reisen der Zahl nach bei Weitem über­wiegen. Der menschliche Geist hat aber glücklicherweise für diese ein kurzes Gedächtniß, sie verwischen sich und lassen die angenehmen um so lebhafter hervortreten. Dem Reisenden, der lange dort geweilt hat, wird der Abschied von Afrika geradezu schwer, und nur mit einem gewissen Unbehagen sieht er seinem Eintritt in die civilisirte Welt entgegen, in welcher er sich nur langsam wieder zurechtzufinden vermag.