Heft 
(1894) 81
Seite
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Deutsche Rundschau.

Brandts, seit Anfang der zwanziger Jahre Professor der Philosophie in Bonn, war aufs Engste mit Arndt befreundet beide Männer wußten sich eins in ihrer Liebe zu Deutschland und ihrem Glauben an Preußens Beruf für das zu einigende Vaterland. Auch als Denkmal einer Freundschaft zweier patriotisch gesinnter Männer mögen die Briefe für Alle, welche das erreicht sehen, wonach jene strebten, einen Werth haben, der ihre Veröffentlichung vollauf berechtigt erscheinen läßt. Es schien dabei erlaubt, einige Stellen, die wegen ihrer Derbheit für die Veröffentlichung sich nicht eigneten, zu unterdrücken.

I. Bonn*), den 17. Junii 48.

Einmal einen Brief an den lieben Freund, dessen, wie überhaupt seiner Ge­liebten und der geliebten Gewohnheiten und Freuden des Heimathsorts, man doch oft erinnert wird; denn ganz kann man die alte Brust doch nicht mit Erz um­panzern: es will doch oft gar Vieles, was in dieses Gewirr und Getümmel nicht zu gehören scheint, an- und eindringen. Sonst sollst Du wissen, Geliebter, daß ich gleich einem alten Römer oder gleich einem neuen Europäer, etwa einem, der eine Reise um die Welt machen will, den Vorsatz gefaßt habe, mit welchem es mir wirklich besser zu gelingen scheint, als ich anfangs fürchtete, mein Leben hier von dem alten Leben gleichsam abzuschneiden und wie zu isoliren und wie ein Soldat im Felde bloß auf den Dienst des Augenblicks zu achten. Das geht wirklich leidlich, ich halte die vielen Sitzungen leidlich aus, schlafe, wie es scheint, von mancher Langenweile müder als gewöhnlich, sehr gut, esse und trinke verständig gleich andern verständigen Leuten und bilde mir endlich zuweilen ein, daß ich Gutes thun helfe und in diesem wilden Gewimmel und Gewirr nicht ganz unnütz bin.

Unser Reichstag ja, das ist Dir ein Ding und doch könnt' er ein viel schlechteres Ding sein als er ist; und wenn man an seine Vorläufer, besonders wenn man an seine wirklichen Vorläufer, das tumultuarisch zusammengelaufene Vorparlament und die sogenannten Fünfziger denkt, und an die Art der Wahlen, so muß man sich doch Wundern, daß so viel Verstand und Geschicklichkeit und auch so viel guter Wille zusammengekommen ist als einem oft begegnet.

Es hat sich hier, wie in allen großen Versammlungen, natürlich eine Linke und eine Rechte gebildet. Ich sitze zufällig vor der Linken auf einem Platz, der »mir gleich anfangs sehr bequem däuchte, weil der Rednerbühne nahe, und den ich, ohne des prachuäieii ot fuäieii zu gedenken, behalten habe, obgleich er mir nun wegen des Getobes und Gebrülls der Linken doch zuweilen lästig wird, habe einen Arzt^) ans Olmütz neben mir und den berühmten Robert Blum, den Kölner, hinter mir.

Unsere Führung ist wegen der schlechten Angewöhnungen eben aus den vorher­gegangenen Versammlungen oft zu tobig und regellos, und ein elendestes Galerie- geklatsche hat als Gewohnheit Platz gegriffen, und dafür werden von manchen tobigen, unnützen Burschen denn die hochtönenden Klangworte genug gemißbraucht, womit man die Menge ködert. Der Präsident Gagern, der durch große Stimmen­mehrheit zum zweiten Male glücklich Gewählte, ist übrigens ein tüchtiger und seinem Posten gewachsener Mann, und seit ein paar Tagen däucht mir wirklich, daß wir anfangen, etwas stttiger zu werden.

I Bonn ist ein Schreibfehler Arndt's, es muß Frankfurt heißen, wie aus dem Briefe selbst hervorgeht.

2) Gemeint kann nur Andreas Ludwig Josef Jeitteles, geboren in Prag 1799, feit 1836 Professor der Medicin in Olmütz, sein. Von Jugend auf mit Carl Egon Eberl befreundet und felbst vielfach mit belletristischen Arbeiten beschäftigt, war er im Jahre 1848 Redacteur des in Olmütz erscheinenden BlattesNeue Zeit"; in Frankfurt gehörte er zur gemüßigten Linken, trat aber Tecember 1848 schon aus dem Parlament aus.